Der neue Gebrauchtwagen – Ihre Rechte bei Mängeln

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Gewährleistung, Gebrauchtwagengarantie, Kauf von Privat, Verschleißteil oder nicht - häufige Fragen rund um das gebrauchte Auto

Ein Sprichwort sagt: Ein Auto fängt mit „A" an und hört mit „O" auf. Umso ärgerlicher ist, wenn gleich der neue „Gebrauchte" seinen Geist aufgibt oder etwas kurz nach der Übernahme des Autos nicht funktioniert. Der Frust ist groß, lange wurde gespart und nun der Ärger. 123recht.de hat bei Rechtsanwalt Sebastian Baur nachgefragt, was Sie für Rechte beim Gebrauchtwagenkauf haben.

123recht.de: Sehr geehrter Herr Baur, macht es rechtlich einen Unterschied, ob ich ein gebrauchtes Auto bei einem privaten Anbieter oder einem Händler kaufe?

Rechtsanwalt Baur: Ja. Kaufe ich als Privatperson bei einem Händler, liegt ein so genannter Verbrauchsgüterkauf vor. Der Verbraucher ist hierbei besonders geschützt. Wichtigste Konsequenz: Der Händler darf die Gewährleistung nicht vertraglich ausschließen. Beim Kauf zwischen Privatpersonen ist ein Ausschluss dagegen grundsätzlich möglich. Weiterer Vorteil beim Kauf vom Händler: Die Beweislastumkehr des § 476 BGB, nach der der Verbraucher innerhalb von 6 Monaten nach dem Kauf nicht beweisen muss, dass ein vorhandener Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war - also bei Übergabe des Autos.

Grbauchtwagenhändler können die Gewährleistungsfrist verkürzen

123recht.de: Beim Händler hat man also immer zwei Jahre Gewährleistung?

Rechtsanwalt Baur: Nicht immer. Ein Händler kann die Gewährleistung für Mängel zwar nicht vollständig ausschließen, er kann aber die Verjährung dieser Ansprüche verkürzen: von gesetzlich zwei Jahren auf ein Jahr bei gebrauchten Fahrzeugen.

123recht.de: Was ist der Unterschied der Gewährleistung zur "Gebrauchtwagengarantie"?

Rechtsanwalt Baur: Eine Garantie ist das freiwillige Versprechen des Händlers, für die Mängelfreiheit bzw. die Beschaffenheit der von der Garantie umfassten Teile während der Garantiezeit einzustehen. Die Garantie unterscheidet sich von der Gewährleistung also dadurch, dass sie erst durch eine entsprechende Erklärung des Verkäufers zustande kommt, während die Gewährleistungsrechte automatisch entstehen. Wichtig dabei: Eine Garantie kann auch vorliegen, wenn der Verkäufer das Wort" Garantie" nicht ausdrücklich verwendet. Mit dem Verkauf eines Gebrauchtwagens als "TÜV neu" garantiert der Kfz-Händler mit Werkstatt beispielsweise stillschweigend eine bestimmte Qualität, nämlich HU-Reife.

123recht.de: Mal zur Praxis: Ich habe ein gebrauchtes Auto bei einem Händler gekauft und nach ca. 1 Monat geht das Getriebe kaputt. Kann ich eine kostenfreie Reparatur verlangen?

Rechtsanwalt Baur: Sie können dann eine kostenfreie Reparatur verlangen, wenn ein Sachmangel vorliegt. Ob dies der Fall ist, ist gerade bei Gebrauchtwagen oft schwierig festzustellen: Normaler Verschleiß ist grundsätzlich nämlich kein Sachmangel. Ist ein solcher normaler Verschleiß aber ausgeschlossen, kann nicht nur, sondern muss zunächst Nacherfüllung verlangt werden, bevor man z.B. vom Kaufvertrag zurücktritt. Nach Wahl des Käufers hat der Käufer dann entweder kostenlos zu reparieren, oder das Fahrzeug durch ein gleichwertiges zu ersetzen. Ist der Reparaturaufwand aber unverhältnismäßig hoch, darf der Verkäufer diese Art der Nacherfüllung verweigern.

123recht.de: Die Gebrauchtwagengarantie übernimmt oft nur einen prozentualen Anteil der Kosten. Der vollständige Schaden wird nicht gezahlt. Wenn das Getriebe nach 1 Monat defekt ist, kann ich dann vom Händler die Differenz ersetzt verlangen?

Rechtsanwalt Baur: Ja, selbstverständlich. Die Rechte aus der Garantie treten vollständig neben die gesetzlichen Gewährleistungsrechte und ersetzen diese nicht etwa. Zu beachten ist aber: Gewährleistungsansprüche bestehen im Grundsatz nur, wenn der Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nachbesserung hatte. Wird der Schaden auf Grundlage der vom Hersteller gegebenen Garantie bereits in anderer Werkstatt behoben, kann dies zu einem Verlust der Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer führen!

Nach 6 Monaten muss der Käufer einen anfänglichen Mangel beweisen

123recht.de: Und wenn das Getriebe nach 7 Monaten kaputt geht? Ändert sich daran etwas, insbesondere, wenn die Gebrauchtwagengarantie nicht den gesamten Schaden zahlt?

Rechtsanwalt Baur: Mit Ablauf von 6 Monaten gilt die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht mehr. Jetzt muss der Käufer zusätzlich beweisen, dass das Getriebe bereits bei Übergabe des KFZ an ihn kaputt war, bzw. der jetzige Defekt auf einem Grundmangel beruht, der bereits bei Übergabe vorlag.

123recht.de: Wie verhalte ich mich, wenn der Händler nicht freiwillig zahlt oder den Schaden beseitigt?

Rechtsanwalt Baur: Fordern Sie den Händler schriftlich und damit beweisbar zur Nacherfüllung auf. Verweigert der Händler die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig, können Sie zu der Geltendmachung der übrigen Mängelrechte übergehen, also etwa vom Vertrag zurücktreten. Wird auch hierauf nicht reagiert, bleibt nur noch der Klageweg. Es empfiehlt sich bereits von Beginn an die Einschaltung eines Rechtsanwalts. Das Verkehrszivilrecht ist, wie man sieht, leider nicht ganz einfach, schon formale Fehler können zu einem Anspruchsverlust führen. Oft vergessen wird z.B. das bereits angesprochene Nacherfüllungsrecht des Verkäufers.

"Gekauft wie gesehen" ist oft kein wirksamer Gewährleistungsausschluss unter Privatleuten

123recht.de: Würde es einen Unterschied machen, wenn ich den Getriebeschaden bei einem Auto habe, das ich von einer Privatperson gekauft habe?

Rechtsanwalt Baur: Das kommt auf die vertragliche Vereinbarung an. In aller Regel werden Kaufvertragsformulare verwendet, auf denen ein vollständiger Gewährleistungsausschluss für Mängel vorgesehen ist. Anders als beim Kauf vom Händler sind diese Ausschlüsse meist wirksam, so dass Gewährleistungsansprüche nicht bestehen. Es lohnt sich aber eine Überprüfung des Vertrages, insbesondere wenn kein solches Formular verwendet wurde. Denn Klauseln wie „gekauft wie gesehen", „wie Probe gefahren" oder dergleichen begründen oft keinen vollständigen Gewährleistungsausschluss. Einen Getriebeschaden etwa wird man durch die Verwendung dieser Floskeln wohl nicht von der Gewährleistung ausschließen können.

123recht.de: Ich vermute, der private Verkäufer hat den Mangel verschwiegen. Was jetzt?

Rechtsanwalt Baur: Hat der Verkäufer den Mangel trotz Kenntnis verschwiegen, spricht man von arglistiger Täuschung. Arglist des Verkäufers ändert alles: Ein sofortiger Rücktritt vom Vertrag ist möglich, Gewährleistungsausschlüsse verlieren ihre Wirksamkeit, der Vertrag ist anfechtbar und gilt damit als nie geschlossen. Allerdings ist Vorsicht geboten, da Arglist praktisch nur sehr schwer beweisbar ist.

123recht.de: Macht es einen Unterschied, wenn es sich nicht um ein Getriebe handelt, sondern um Sachen, die regelmäßig ersetzt werden müssen, wie z.B. Bremsen?

Rechtsanwalt Baur: Auch hier gilt wieder: Liegt ein Sachmangel vor oder nur üblicher Verschleiß? Bei Teilen, die regelmäßig ersetzt werden müssen, wird man wohl eher zu der Annahme eines üblichen Verschleißes kommen, so dass auch keine Gewährleistungsrechte entstehen.

123recht.de: Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Probleme, die bei einem Gebrauchtwagenkauf entstehen? Haben Sie noch Tipps, was man beim Gebrauchtwagenkauf beachten sollte?

Eine ordentliche Dokumentation beim Kaufvertrag ist unerlässlich

Rechtsanwalt Baur: Streit entsteht meist über die Frage, ob Mängel schon beim Kauf vorlagen, ob diese von Gewährleistungsausschlüssen umfasst sind oder ob sie nicht bei Vertragsschluss längst beiden bekannt waren. Knackpunkt ist also: Wurde vom Verkäufer das geliefert, was vertraglich vereinbart war? Aus welcher Verantwortungssphäre stammt der Mangel?

Ich rate deshalb immer zu möglichst umfassender Dokumentation der getroffenen Vereinbarungen sowie zum Zustand des Fahrzeuges im Kaufvertrag. Dies ist für den Käufer allerdings nur möglich, wenn er das Fahrzeug vor dem Kauf fachlich überprüfen lässt. Die meisten TÜV-Werkstätten bieten einen solchen Check kostengünstig an, der sich leicht in die obligatorische Probefahrt einbinden lässt. Eine Investition, die sich schnell rechnen kann!

123recht.de: Vielen Dank!

Leserkommentare
von AT1 am 09.10.2015 11:21:17# 1
Ein sehr interessanter Bericht!

Ich habe einen ähnlichen Fall und wüsste gerne Ihre Meinung dazu:

Ich habe einen Gebrauchtwagen bei einem Händler gekauft und stehe bereits nach vier Tagen mit einem Getriebeschaden auf der Straße.
Der Verkäufer sieht die Schuld nicht bei sich.
Nach Nachfrage meinerseits beim Vorbesitzer erfahre ich, dass das Auto bereits mit einem Getriebeschaden an den Händler übergeben wurde.
Auf diese Information angesprochen, meint der Händler, dass das wohl übersehehn wurde, erstattet jedoch nicht den Kaufpreis oder stellt einen Ersatzwagen zum selben Wert. Transportiert das Auto auch nicht ab.

Das Auto steht seit dem Vorfall zwangsweise angemeldet auf einem Parkplatz. (zwangsweise angemeldet, da nicht der eigene)
Seit bereits August muss ich daher meinen Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen. Da mein Kapital bereits in den jetzt defekten Wagen investiert wurde, kann ich mir kein Auto leisten.
Somit trage ich die laufenden Kosten (Versicherung), die Fahrtkosten (Bus, Bahn) und bin mobil erheblich eingeschränkt ohne Aussicht auf Änderung, da weder der Händler, noch der eingeschaltete Anwalt bisher zu einem Ergebnis kamen.

Rein rechtlich, weiß ich, dass ich im Recht bin und der Vertrag entweder wg. arglistiger Täuschung der aufgelöst wird oder, falls Vertrag gültig, der Händler zur Nacherfüllung des Vertrages gezwungen wird.

Nun meine Frage:
Wie ist mein Anspruch auf Erstattung dieser zusätzlichen Kosten, welche allesamt zwangsläufig durch dieses grobe Fehlverhalten des Händlers entstanden sind?

Der von Anfang an eingeschaltene Anwalt lässt sich leider sehr viel Zeit, hat bisher nicht viel getan, obwohl ich auf das Auto angewiesen bin.
    
von Rechtsanwalt Sebastian Baur am 09.10.2015 16:53:41# 2
Das ist alles sehr kompliziert.

Vielleicht hilft Ihnen dieses Urteil weiter:

<a class="textlink" rel="nofollow" href="http://openjur.de/u/283331.html" target="_blank">http://openjur.de/u/283331.html</a>

Das sollte Ihre Fragen im Wesentlichen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten :-)
    
von Sandmann81 am 14.12.2015 19:07:01# 3
Hallo ich habe auch einen ähnlichen Fall:
Ich habe ca. 400 km entfernt einen Wagen bei einem Händler gekauft, EZ 2/15. Es ist ein Wagen mit repariertem Unfallschaden. Ein Parkschaden, im KV steht: Reparierter Unfallschaden Vorne Rechts, Beschädigung durch Parken in der Garage und die Klausel: Fahrzeug wird im Zustand wie gesehen gekauft.
Gekauft habe ich das Fahrzeug November. Vor ca. 2 Wochen habe ich dann unterm Scheinwerfer Rost entdeckt, der Kotflügel sitzt nicht richtig und der Scheinwerfer scheuert auf den Kotflügel.
Heute habe ich ein Angebot eingeholt, der Kotflügel muss ausgebaut, neu lackiert und richtig eingestellt werden. Die Rostbildung ist eindeutig eine Folge des nicht sachgemäßen Einbaus des Kotflügels.
Der Verkauf sagte mir gegenüber im persönlichem Gespräch, dass nichts verzogen sei und das man nichts vom Austausch sehen würde.
Kann ich Nacherfüllung verlangen und wenn ja wo ist der Erfüllungsort? Wo sich das Auto nun befindet oder beim Händler?

Vielen Dank im voraus

    
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