Das neue Insolvenzrecht - schneller schuldenfrei?

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Auf welche Änderungen sich betroffene Schuldner zukünftig einstellen müssen

Seit Jahren gab es in Fachkreisen viele Diskussionen über mögliche, notwendige oder wünschenswerte Änderungen im geltenden Insolvenzrecht.

Anlass waren verschiedenste Aspekte, die je nach Interessenlage der Beteiligten (Insolvenzgerichte, Treuhänder, Schuldnerberatungsstellen, Schuldner, Gläubiger, Gläubigerverbände und nicht zuletzt des Gesetzgebers selber) völlig unterschiedlich bewertet und gewichtet wurden.

Diverse Entwürfe, Stellungnahmen und Gegenvorschläge später wurde nun letztes Jahr das "Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte" im Bundestag verabschiedet und tritt zum 01.07.2014 endgültig vollständig in Kraft.

Es beinhaltet für Verbraucher / Privatleute (in Abgrenzung zu Selbständigen / Unternehmern), die das Insolvenzverfahren durchlaufen, viele kleine, aber auch einige maßgebliche Änderungen.

Dabei verrät schon der offizielle Name des neuen Gesetzes, worauf besonders Wert gelegt wurde:

- es sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, die Verfahren zu verkürzen, wo die Ausschöpfung der gesamten Dauer von 6 Jahren unverhältnismäßig erschien und

- es sollte zumindest für einige Gläubiger-Gruppen eine Verbesserung ihrer Rechte und Möglichkeiten innerhalb des Verfahrens geschaffen werden.

Die Gesetzesänderung ist in den vergangenen Monaten auch bei vielen Menschen und Medien, die sich sonst weder für Gesetzesänderungen im Allgemeinen noch für das Insolvenzrecht speziell interessieren, auf ungewöhnlich großes Interesse und entsprechende Verbreitung gestoßen.

Auf vielen Zeitungen und Internetseiten fanden sich Titel wie "Schuldenfrei in 3 Jahren", "Jetzt schon nach 3 Jahren schuldenfrei!" oder "Laufzeit des Insolvenzverfahrens halbiert".

Damit bezog sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die tatsächlich geschaffene, aber an recht hohe Anforderungen gebundene Möglichkeit, bereits 3 Jahre nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt zu bekommen.

Dass diese Anforderungen in vielen Fällen schlichtweg nicht erfüllt werden können und wenn doch, dass dann das Insolvenzverfahren schon im Vorfeld hätte vermieden werden können ohne auf die "Gnade" der Verkürzung angewiesen zu sein, wurde unterhalb der Schlagzeilen zunächst kaum thematisiert. Es herrschte erst einmal rundum Begeisterung über die "schöne neue Inso-Welt".

Viele Experten, insbesondere von Schuldnerberatungsstellen, können über diese Begeisterung nur den Kopf schütteln, da sie aus der Praxis wissen, in wie wenigen Fällen die Betroffenen überhaupt in den "Genuss" der verkürzten Laufzeit des Verfahrens kommen werden.

Für die meisten Betroffenen wird sich voraussichtlich kaum etwas spürbar ändern und wenn doch, dann eher zu ihrem Nachteil.

Welche Änderungen beinhaltet das neue Recht nun tatsächlich und welche sind für die Betroffenen eher vorteilhaft oder nachteilig:

- Der in den vor 01.07.2014 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren zur Abwicklung berufene Treuhänder heißt nun - einheitlich wie auch im Regelinsolvenzverfahren der Unternehmen und Unternehmer - Insolvenzverwalter. Dies erleichtert vor allem die Abgrenzung zu dem später für die Wohlverhaltensphase bestellten (oft personen-identischen) Treuhänder.

- Dies bedeutet zugleich, dass der Insolvenzverwalter nun auch im Verbraucherinsolvenzverfahren die gleichen Rechte hat wie im Regelinsolvenzverfahren, also deutlich mehr als in den früheren Verfahren.

- Dies beinhaltet z.B. das Recht, Handlungen des Schuldners (insbesondere Zahlungen, aber auch sonstige Vermögensverschiebungen), im Wege der Anfechtung rückgängig zu machen und somit Insolvenzmasse zu generieren. Für die Schuldner kann dies bedeuten, dass Zahlungen (z.B. von Geldbußen etc.) aus dem Vorfeld des Insolvenzantrags nun noch einmal geleistet werden müssen.

- Außerdem wird das Verfahren auch für Privatleute nun absehbar deutlich teurer, da der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf höhere Vergütung hat als der frühere Treuhänder.

- Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage, die nur die für Mietwohnungen gezahlte Kaution schützte, werden nun auch Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften vor der Kündigung ihrer Genossenschaftsanteile grundsätzlich geschützt. Dies gilt allerdings nur bis zu einer Höchstgrenze (max. 2.000,00 €), bei größeren Wohnung mit höheren Anteilen entfällt der Schutz teilweise und die Regelung wird für die Genossenschaftsmitglieder kompliziert.

- Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren kann nun eine abweichende Abwicklung über einen sog. Insolvenzplan erfolgen. Auch dieser war bisher den Regelinsolvenzen vorbehalten. Ob diese Möglichkeit in der Praxis tatsächlich häufig genutzt wird, bleibt jedoch abzuwarten, da sie gute Beratung und Vorbereitung voraussetzt und in einer Vielzahl von Fällen dieser "Extra-Aufwand" kaum gewünscht und sinnvoll sein wird.

- Bisher hatten frühere Lohnabtretungen auch im Insolvenzverfahren Vorrang und zwar für die ersten beiden Jahre nach Eröffnung des Verfahrens. Dieses Privileg entfällt nun nach dem neuen Recht, so dass pfändbares Einkommen von Beginn an den Insolvenzverwalter abzuführen ist. Das ist für den Schuldner insofern von Vorteil, als dann die Verfahrenskosten früher gedeckt sind und Zahlungen an die Gläubiger früher erfolgen können.

- Damit verbunden ist aber auch ein klarer Nachteil: waren früher Arbeitgeber wegen des Abtretungsprivilegs öfter bereit, z.B. für die Verfahrenskosten oder dringende Anschaffungen Arbeitgeberdarlehen zu bewilligen, die dann mithilfe der Abtretung in den Folgemonaten zurückgezahlt wurden, wird dies nun deutlich seltener der Fall sein, da die Arbeitgeber damit ihre Sicherheit für die Rückzahlung verlieren.

- Für viele Betroffene, die bislang bereits mit sog. Forderungen aus unerlaubter Handlung zu kämpfen hatten, hat sich die Situation verschärft, weil nun - ohne dass die Gläubiger dies besonders geltend machen oder durchsetzen müssen bestimmte Steuerschulden oder Unterhaltsschulden per se von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind und somit bestehen bleiben.

- Auch droht nun verstärkt der Verlust des eigenen PKW, da die Rechte des Insolvenzverwalters zur Verwertung von Fahrzeugen ausgeweitet wurden.

- Schließlich entfällt auch der sog. Schuldnerbonus, der den Betroffenen, die regelmäßig pfändbares Einkommen an die Treuhänder abführen, bislang ab dem 5. Jahr nach Eröffnung zustand.

- In der Praxis wird aber vor allem eine Änderung zukünftig für viel Arbeit und wohl auch Aufregung sorgen: es droht absehbar in deutlich mehr Fällen als bisher die Versagung der Restschuldbefreiung! Bislang waren Versagungsfälle eher die Ausnahme. Kamen sie in den ersten Jahren nach Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens quasi gar nicht vor, traten sie in den letzten Jahren vor allem dann auf, wenn die Schuldner wirklich schwerwiegend gegen ihre Pflichten in Verfahren verstoßen hatten und die Gläubiger dies auch vorschriftsmäßig geltend machten. Da die Gläubiger hierfür die Verstöße nicht nur nachweisen, sondern diese auch im Schlusstermin persönlich geltend machen mussten, kam dies nur in wenigen Fällen vor.

Nach der neuen Rechtslage können die Gläubiger, die Forderungen im Insolvenzverfahren geltend gemacht haben, nun jederzeit schriftlich die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn hierzu Gründe vorliegen.

Hier entsteht also ein erhöhter Beratungsbedarf im Vorfeld für viele Schuldner und die Notwendigkeit erhöhter Aufmerksamkeit in allen Phasen des Insolvenzverfahrens!

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Bei der ganzen Aufregung um die neue Abkürzungsmöglichkeit wurde vielfach auch völlig übersehen, dass es bereits seit Jahren und auch nach dem bislang geltenden Recht durchaus schon Möglichkeiten gab und gibt, deutlich schneller als in 6 Jahren die (Rest)Schuldbefreiung zu erlangen.

Diese Möglichkeiten wurden nur bisher selten gesehen und noch seltener genutzt. Gerade vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen des neuen Insolvenzrechts lohnt sich deshalb der Blick auf Alternativen!