Das Rechtsberatungsgesetz – Dinosaurier der Justiz

Mehr zum Thema: Kommentiert, Rechtsberatungsgesetz, RBerG
4 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
1

Saurier sind ausgestorben, also bitte!

Erhitzte Gemüter und harsche Kritik sind die ständigen Begleiter des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) in der Juristenwelt. Nachdem das RBerG bei Gerichtsentscheiden wegen seiner fragwürdigen Anwendbarkeit zunehmend weniger gewichtet wird, diskutiert man im Bundesjustizministerium derzeit über eine Reformierung.

Seinen Ursprung hat das Gesetz im Jahr 1935. Es sah vor, nur Rechtsanwälte und bestimmte Berufsgruppen zu legitimieren, Rechtsberatungen vorzunehmen. Rechtsberatungen ohne ausdrückliche Erlaubnis waren verboten und die Vergabe dieser Berechtigung war strengen Vorgaben unterworfen. Damals diente das Gesetz in erster Linie dazu, Juden und unliebsame Opponenten daran zu hindern, den Anwaltsberuf auszuüben. In einer Stellungnahme in der Juristischen Wochenzeitung von 1936 hieß es: „Die große Staatsprüfung ist ein Ausleseverfahren, bei dem es nicht auf die häufig nur zufälligen Noten ankommt, sondern vor allem auf den Nachweis nationalsozialistischer Weltanschauung und nationalsozialistischem Rechtsdenkens."

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde das Gesetz „entnazifiziert", das heißt sämtliche Hinweise auf das NS-Gedankengut wurden entfernt, und dann in die Rechtsprechung der neu entstandenen Bundesrepublik übernommen. Dort überdauerte es die vergangenen 60 Jahre, musste jedoch einige Modifizierungen in Wortlaut und Auslegungen über sich ergehen lassen. Dennoch blieb für viele Kritiker einer brauner Beigeschmack.

Nach wie vor ist eine Rechtsberatung nur durch zugelassene Anwälte oder festgelegte Berufsgruppen wie zum Beispiel Steuerberater zulässig, die jedoch nur fachbezogene Ratschläge erteilen dürfen. Das wird damit begründet, dass der Verbraucher vor unqualifizierter Rechtsberatung geschützt werden müsse. Seltsam nur, dass es diese Reglementierung nur in Deutschland gibt. In anderen EU-Ländern traut man den Bürgern sehr wohl die eigenständige Wahl eines kompetenten Rechtsberaters zu. In der Europäischen Rechtssprechung wird zunehmend von einem mündigen Verbraucher ausgegangen. In anderen Rechtsbereichen, wie dem Kaufrecht, hat sich die deutsche Rechtsprechung bereits angepasst.

Ferner wird gerne das Argument ins Feld geführt, dass man die wirtschaftlichen Belange der Anwälte sichern müsse, indem man Rechtsberatung nur durch sie zulässt. Vielfache Unkenrufe sprechen da jedoch von einer Monopolisierung der Rechtsberatung von Anwälten für Anwälte. Das Gesetz werde instrumentalisiert. Nichtsdestotrotz, „geschäftsmäßige Rechtsbesorgung fremder Rechtsangelegenheiten" ist ohne Erlaubnis verboten.

Schwammig ist dabei die Auslegung des Begriffes „geschäftsmäßig". In Wörterbüchern steht unter „geschäftsmäßig": „den kaufmännischen Gepflogenheiten entsprechend". Das legt den Schluss nahe, es sei von entgeltlichen Rechtsberatungen die Rede, schließlich verschenken Kaufmänner schon dem Namen nach nichts. Anders sehen es die Gerichte. Geschäftmäßigkeit liege schon dann vor, wenn die wiederholte Ausführung einer Tätigkeit beabsichtigt sei. Damit sind auch altruistische, also uneigennützige Rechtsberatungen strafbar.

So bewegen sich gemeinnützige Organisationen, die unentgeltliche Rechtsberatung für Unterprivilegierte anbieten und Menschen, die vor Gericht für Verwandte eintreten, auf dünnem Eis. Die Entscheidung, ob eine nach dem RBerG unzulässige Rechtsberatung oder eine Hilfe im Rahmen familiärer Bande vorliegt, ist eine Gratwanderung.

Im Prinzip machen sich uneigennützig Tätige aber strafbar und es kam nicht selten vor, dass sie rechtlich belangt wurden. Meistens werden diese Klagen jedoch als haltlos zurückgewiesen. So ist es vorgekommen, dass ein Sozialwissenschaftler der Caritas, Dr. Manfred Hammel, Mittellosen Rechtsberatung angeboten hat und dafür von der Anwaltskammer vor den Kadi gezerrt wurde. Auf Hammels Argument, dass diejenigen, die er berate, sich keinen Anwalt leisten können, oder bereits von einem abgewiesen wurden, wusste der Vetreter der Anwaltskammer nichts Gescheites zu entgegnen.

Das Argument, die Verbraucher müssten vor unqualifizierten Ratschlägen geschützt werden, wird vor allem da fadenscheinig, wo zum Beispiel ehemalige Richter Rechtsbeistand anbieten. Von einem pensionierten Richter kann man ja schließlich eine gewisse Fachkompetenz erwarten. Um auf das Problem des Verbots der altruistischen Rechtsberatung hinzuweisen, hat der Richter a.D. Helmut Kramer sich selbst angezeigt. Er hatte Totalverweigerern und Demonstranten eine kostenlose rechtliche Unterstützung zuteil werden lassen. Tatsächlich wurde der Ex-Richter angeklagt. Der Fall befindet sich zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht und ist noch nicht entschieden.

Selbst, wenn man seinem Friseur ein rechtliches Problem schildert, dieser einen gutgemeinten Ratschlag gibt und das bei vielen seiner Kunden so handhabt, macht der Friseur sich im Grunde genommen schon strafbar, da der Tatbestand der Geschäftsmäßigkeit damit bereits erfüllt ist. Vor diesem Hintergrund stehen besonders die im Internet in Mode gekommenen Diskussionsforen in einem Spannungsverhältnis zum RBerG.

Die Beschwerden, das Rechtsberatungsgesetz sei verfassungswidrig, werden immer lauter. Die Kritiker des RBerG beklagen die mangelnde Anpassungsfähigkeit der zuständigen Organe.

Das RBerG laufe mit der Meinungsfreiheit zuwider, die durch Art. 5 GG gesichert wird, so die Kritiker. Verbote wie das der altruistischen Rechtsberatung wären ohnehin fragwürdig. Nach Art. 12 GG dürfen Berufsausübungsverbote nur dann erteilt werden, wenn ein Gemeinwohlbelang vorliegt, was hier nicht unbedingt der Fall ist. Zwar könnte man so argumentieren, dass die Gemeinschaft vor inkompetenter Rechtsberatung geschützt werden müsse, aber da war ja noch die Sache mit dem mündigen Verbraucher. Letztlich bleibt wohl nur, dass mit dem RBerG lediglich die wirtschaftlichen Belange der Gruppe der Anwälte geschützt werden. Doch ob man Gemeinwohlbelang so definieren kann, bleibt fraglich.

Durch Foren, Fragen beim Friseur oder gutgemeinte Ratschläge beim Kaffee wird auch nicht das wirtschaftliche Interesse der Rechtsanwälte geschädigt. Oft handelt es sich hierbei um Fragen, die für Mandate uninteressant, da nicht wirtschaftlich sind. In Internetforen lässt sich außerdem erkennen, dass Fragesteller bereits schon von einem Anwalt betreut werden, aber ihren Wissensdurst stillen und eigene Recherchen durchführen wollen. Und mal ehrlich, viele Rechtsanwälte sind doch froh, wenn der Mandant nicht täglich anruft und sie mit kleinen Fragen "nervt". Schlussendlich schaffen auch gerade Foren neue Mandate, da Hemmschwellen abgebaut und viele Fragesteller ermuntert werden, mit ihrem Problem einen Experten zu Rate zu ziehen.

Was gemeinnützige Organisationen angeht: Deren Rechtsberatung, die in vielen Fällen auch wirtschaftliche und Lebenshilfe ist, kann wohl keine Gemeinwohlbelange beeinträchtigen.

Das könnte Sie auch interessieren
Gesetzgebung Das Rechtsberatungsgesetz