Das Kapitalmarktstrafrecht

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Der Exot im Wirtschaftsstrafrecht

Unzweifelhaft hat man es als Exot unter Exoten nicht leicht. Um dies näher zu erläutern, stellen Sie sich bitte vor, dass Sie eine Krankheit (nennen wir die Krankheit: Ermittlungsverfahren) haben und es sich herausstellt, dass Ihr individuelles Krankheitsbild nicht nur sehr selten ist, sondern in einer Form vorkommt, die nur absolute Spezialisten bis dahin gesehen und behandelt haben.

Dann sind wir im Kapitalmarkstrafrecht.

Infolge der Finanzmarktkrise haben der nationale und der europäische Gesetzgeber eine Flut neuer und komplizierter Vorschriften geschaffen. Ein kaum überschaubarer „Verweisungs- und Normendschungel" hat sich gebildet und man kann sich durchaus fragen, wie denn der einfache Mandant noch wissen soll, ob seine Handlung zum Beispiel unter § 20a WpHG fällt, wenn schon die meisten Juristen kaum mehr einen Überblick haben. Schnell ist man bei der Prüfung des Verbotsirrtums (der Verbotsirrtum ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung).

Die komplexe Materie des Kapitalmarktstrafrechts unterliegt einer rasanten Dynamik wie kaum ein anderes Rechtsgebiet und gewinnt nicht nur in der Berichterstattung der Presse (so zum Beispiel der Fall „Porsche-VW" und der Fall „Schutzgemeinschaft der Kleinanleger/SdK") an Bedeutung.

Dies gilt sowohl für die öffentliche Wahrnehmung als auch für die juristische Fachwelt. Die Medienberichterstattung sowie der Gesetzgeber sind beschäftigter als je zuvor. Innerhalb des WpHG und der Arbeit der BaFin und Staatsanwaltschaft steigen die Untersuchungen und Ermittlungen jedes Jahr konstant an.

Im Vergleich zu dem „normalen Strafrecht" gilt das Kapitalmarktstrafrecht freilich noch als absoluter Exot.

So werden pro Jahr circa 880.000 Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts (§ 263 StGB) eingeleitet, hinsichtlich der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) hingegen nur circa 150 Ermittlungsverfahren. Die BaFin leitete 256 Marktmanipulationsuntersuchungen im Jahr 2015 ein, von denen dann 160 Vorgänge tatsächlich an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden.

Schaut man sich jedoch die Zahlen innerhalb des Kapitalmarkstrafrechts an, kann man eine enorme Steigerung feststellen.

Von den an die Staatsanwaltschaft weitergeleiteten Verfahren wurde zum Beispiel im Jahr 2003 kein einziges Verfahren durch die Staatsanwaltschaft oder eine gerichtliche Entscheidung im Strafverfahren und ein Vorgang im Bußgeldverfahren beendet, im Jahr 2004 wurden sieben Verfahren durch die Staatsanwaltschaft sanktionslos eingestellt, jeweils ein Verfahren wurde im Strafverfahren mit Strafbefehl bzw. nach Hauptverhandlung rechtskräftig entschieden.

Die wichtigsten Gebiete des Kapitalmarktstrafrechts sind das Insiderstrafrecht sowie das Verbot der Marktmanipulation.

Die Kernbestimmungen des Insiderstrafrechts bilden die Insiderhandelsverbote des § 14 WpHG. Das Gesetz unterscheidet drei Tatvarianten: den Erwerb bzw. die Veräußerung eines Insiderpapiers unter Verwendung einer Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), die unbefugte Mitteilung oder das unbefugte Zugänglichmachen einer Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) und die auf einen Erwerb oder eine Veräußerung eines Insiderpapiers gerichtete Empfehlung oder sonstige Verleitung dazu (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG).

Beispiele der verbotenen Marktmanipulation sind: Veröffentlichung unzutreffender oder Unterlassen gebotener Ad-hoc-Mitteilungen; Veröffentlichung unrichtiger Halbjahreszahlen durch ein Vorstandsmitglied einer börsennotierten Aktiengesellschaft sowie Kaufempfehlung für eine Aktie an Investmentfonds durch einen Berater, der die Aktie zuvor erworben hatte und Verkauf nach hierauf verursachter Kurssteigerung (so genanntes „Scalping").

Hinsichtlich der tatsächlichen Handelsaktivitäten (Orders, Geschäfte) kommen abgesprochene Geschäfte sowie „Wash-Sales" in Betracht. Die Regelung findet sich im § 20a WpHG Verbot der Marktmanipulation wieder. Es lassen sich im Wesentlichen vier Gruppen herausdeuten:

1. Geschäftliche Handlungen, die den falschen Eindruck einer Handelsaktivität hervorrufen sollen (s. Abs. 1 S. 1 Nr. 2);
2. Manipulationen aufgrund einer zuvor erworbenen Monopolstellung (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV, s. Rdn. 33);
3. geschäftliche Handlungen, die durch den Zeitpunkt ihrer Ausführung Kurse beeinflussen sollen (Abs. 1 S. 1 Nr. 2); 4. informationsbezogene Handlungen wie die Verbreitung von falschen Informationen (Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3).

Alleine dieser kleine Einblick macht deutlich, wie komplex die Materie ist und das weder die Ermittlungsakte dünn sein dürfte, noch der daraus entstehende Disput mit der Strafverfolgungsbehörde und dem Gericht.

Umso schwieriger wird es natürlich für den Mandanten eine qualifizierte Verteidigung „im Notfall" zu erhalten. Um es unjuristisch auszudrücken: In keinem Fall sollte der Beschuldigte mit Zahnschmerzen zu einem Steinmetz gehen.  

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