Das Elektrogeräte-Gesetz - Recycling von Elektroschrott durch den Onlinehandel

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Was müssen Verbraucher und Händler bei der Entsorgung von Elektroschrott beachten?

Seit dem 24. Juli ist das neue Elektrogeräte-Gesetz in Kraft. Verbraucher können nun ihren Elektroschrott an Onlinehändler zurücksenden. Wie funktioniert das genau und auf was müssen Verbraucher und auch Händler dabei achten? 123recht.de im Gespräch mit Rechtsanwalt Konstantin Grubwinkler.

123recht.de: Herr Grubwinkler, was besagt das neue Elektrogeräte-Gesetz?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Verbraucher dürfen Elektrogeräte nicht über den Hausmüll entsorgen. Stattdessen sind die Händler und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verpflichtet, bestimmte Altgeräte kostenlos zurückzunehmen.

Die Pflicht gilt für Händler, die über eine Verkaufsfläche von mindestens 400 Quadratmetern für Elektronikgeräte verfügen. Bei Versandhändlern ist die Lager- und Versandfläche maßgeblich. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Registrierungs- und Informationspflichten für Händler undHersteller.

“Ziel des Gesetzes ist es, die Produktverantwortung auf die Hersteller und Händler zu übertragen“

123recht.de: Warum wurde diese Regelung eingeführt, es gibt doch Werkstoffhöfe etc.?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Ziel des Gesetzes ist es, die Produktverantwortung auf die Hersteller und Händler zu übertragen und diese nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Die Wertstoffhöfe sind nicht mehr alleine für die Sammlung zuständig. Die Organisation und Abholung der Altgeräte bei den kommunalen Sammelstellen sowie die ordnungsgemäße Entsorgung obliegt den Herstellern.

Weiteres Ziel ist die Erhöhung der Transparenz. Sammelstellen müssen registriert werden. Außerdem muss der Verbraucher über die Möglichkeiten der Rückgabe sowie die Auswirkungen auf die Umwelt, Recycling, menschliche Gesundheit, etc. informiert werden.

Händler müssen auch fremde Geräte zurücknehmen

123recht.de: Was müssen Händler alles an Elektroschrott zurücknehmen oder müssen Sie nur das zurücknehmen, was bei ihnen gekauft worden ist?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Ob das Altgerät bei diesem Händler gekauft worden ist, ist nicht von Bedeutung. Es wird unterschieden zwischen:

  • 1:1 Rücknahme - Wenn ein Gerät der gleichen Geräteart gekauft wird, muss der neue Händler ein solches Altgerät zurücknehmen.
  • 0:1 Rücknahme - Elektrokleingeräte von einer Kantenlänge bis zu 25 cm müssen auch ohne Kauf eines Neugerätes vom Händler zurückgenommen werden.

123recht.de: Wer trägt die Versandkosten?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Diese Frage ist nicht vollständig geklärt, da hier das Gesetz keine Regelung der Versandkosten enthält. Teilt der Verbraucher dem Händler bei Kaufvertragsschluss mit, dass ein Altgerät zurückgegeben werden soll, und wird das Neugerät nach Hause geliefert, ist das Gerät dort unentgeltlich zurückzunehmen.

Liefert der Händler also das Gerät nach Hause, hat er auch das alte Gerät abzuholen, sofern dies bei Kaufvertragsschluss vom Kunden angekündigt worden ist.

Ab dem 15. August 2018 müssen ALLE Elektrogeräte zurückgenommen werden

123recht.de: Gibt es irgendwelche Übergangsfristen, die der Verbraucher undHändler wissen muss?

Bis zum 14. August 2018 gilt der Anwendungsbereich des alten ElektroG, der sich nach Produktkategorien richtet. Eine Ausnahme besteht für Leuchten aus privaten Haushalten und Photovoltaikmodule. Sie fallen bereits heute in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Ab dem 15. August 2018 gilt dann der volle Anwendungsbereich des ElektroG. Dann sind grundsätzlich alle Elektrogeräte vom ElektroG umfasst, sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind.

123recht.de: Erhalte ich eine Quittung über die Rückgabe?

Der Endverbraucher hat grundsätzlich keine Mitteilungspflicht, ob und wie seine Geräte entsorgt worden sind. Es ist aber absolut verboten, Elektrogeräte über den Hausmüll zu entsorgen. Sollten Sie Bedenken haben, dass ihnen ein Verstoß dagegen vorgeworfen wird, sollten Sie eine Quittung unbedingt aufbewahren.

123recht.de: Was kann ich machen, wenn der Onlinehändler die Rücknahme verweigert, z.B. weil er dafür keine Kapazitäten hat, muss ich das hinnehmen?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Es ist ratsam, den Händler unter Fristsetzung zur Erfüllung der Informations- und Rücknahmepflichten aufzufordern. Sollte dies nicht zum Ziel führen, ist es denkbar, die Entsorgung von einem Drittanbieter erledigen zu lassen und die Kosten im Wege des Schadensersatzes beim Händler geltend zu machen. Auf Grund der noch weitgehend ungeklärten Rechtslage und des Prozesskostenrisikos ist dies aber riskant. Alternativ können Sie sich mit Ihrem Anliegen an das Umweltbundesamt als zuständige Behörde wenden.

Kommt der Händler der Rücknahme nicht nach, drohen Zwangsgelder und Abmahnungen

123recht.de: Welche Folgen hat die Verweigerung für den Händler?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Kommen Händler der gesetzlichen Rücknahmeverpflichtung nicht nach, zieht dies kein Bußgeld nach sich. Allerdings kann die zuständige Behörde bei Verstößen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung Zwangsgelder androhen und festsetzen.

Das ElektroG ist ausdrücklich auch dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln. Deshalb drohen den Händlern daneben massive wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von Konkurrenten und Verbänden nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

123recht.de: Sie erwähnten bereits das Umweltbundesamt. Kann ich den Händler sonst noch irgendwo melden?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Für bestimmte Ordnungswidrigkeiten ist das Umweltbundesamt zuständig, in den meisten Fällen ist aber das jeweilige Landesamt für Umwelt der richtige Ansprechpartner. Sollte Unsicherheit bestehen, einfach kurz dort anfragen, man wird Sie im Zweifel an die richtige Stelle verweisen.

Verbraucher muss den Schrott selbst zur Sammelstellen bringen

123recht.de: Wie kann ich mir diese Rücknahme in der Praxis vorstellen, wird der Schrott abgeholt oder versendet?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Nach § 17 II 2 ElektroG hat der Versandhändler "geeignete Rückgabemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endnutzer zu gewährleisten“.

Dies wird voraussichtlich durch Sammelstellen im ganzen Bundesgebiet verwirklicht werden. Diese Sammelstellen werden die Versandhändler durch Kooperationen mit Paketdiensten, dem stationären Handel oder Einrichtung einer gemeinsamen Sammelstelle (wohl nur in Ballungsgebieten) mehrerer Versandhändler betreiben.

Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass der Endverbraucher sein Altgerät selbst zu den Sammelstellen bringt. Abholung oder Versand ist außer in den oben genannten Fällen des Neukaufs mit Lieferung nach Hause nicht vorgesehen.

123recht.de: Der Händler wird ja nur zur Annahmestelle, wird da nicht einfach eine sinnfreie Zwischeninstanz zwischengeschaltet?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Der Händler hat umfangreiche Informationspflichten gegenüber den privaten Haushalten. Insbesondere wird der Verbraucher bei Neukauf auf Rückgabemöglichkeiten der Altgeräte hingewiesen. Die Händler müssen die Rücknahme selbst organisieren und dürfen nicht auf öffentlichrechtliche Entsorgungsträger verweisen.

123recht.de: Warum gibt es keinen Versand an Wertstoffhöfe oder gibt es dasauch?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Bei den Wertstoffhöfen ist das "Bringsystem" die Regel. Altgeräte müssen bei Anlieferung kostenfrei angenommen werden, solange sie keine gesundheitsgefährdenden Stoffe enthalten. Manche öffentlich rechtliche Entsorgungsträger bieten ein Holsystem an, das auch kostenpflichtig sein kann.

Ein "Schicksystem" ist nicht vorgesehen. Falls Sie trotzdem unaufgefordert Geräte an einen Wertstoffhof schicken, müssen Sie damit rechnen, dass die Altgeräte nicht angenommen werden.

Gefahrgut darf nicht mit normaler Post versendet werden

123recht.de: Was ist mit Produkten, die nur als Gefahrgut versendet werden dürfen, z.B. Lithiumbatterien?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Bei Gefahrgut ist anzuraten, die Produkte unter Einhaltung der jeweiligen Gefahrgutbestimmungen zu einer zertifizierten Rücknahmestelle zu befördern. Eine einfache Rücksendung mit normaler Post wird in den meisten Fällen rechtswidrig sein und möglicherweise vom Empfänger nicht angenommen werden.

123recht.de: Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel kritisieren die Reform. Warum?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Die Regelungen sind durch Europäisches Recht nicht zwingend vorgeschrieben. Es ist also zu befürchten, dass es auf Grund uneinheitlicher Regelungen in Europa zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten deutscher Unternehmen kommt.

Bei der 400 m2 Regel werden nach 17 II ElektroG im Versandhandel alle Lager- und Versandflächen addiert. Dies ist bei Verkaufsflächen nicht der Fall. Somit ist eine Benachteiligung des Versandhandels gegenüber dem stationären Handel zu befürchten.

Außerdem kritisiert der Versandhandel zu Recht, dass das Gesetz die Ausgestaltung der Rückgabe an den wichtigsten Punkten offen lässt und keine eindeutigen Regelungen trifft.

Endkunden müssen sich auf höhere Preise für Elektronikartikel rechnen

123recht.de: Hat das Gesetz Auswirkungen auf die Preise?

Rechtsanwalt Grubwinkler: Da die Umsetzung für Händler und Hersteller mit hohen Kosten verbunden ist, ist davon auszugehen, dass dieser Aufwand eingepreist wird. Es ist also mit steigenden Preisen für Elektronikartikel zu rechnen. Die größten Kosten entstehen zwar für Elektrogroßgeräte, wahrscheinlich werden diese Kosten aber auf das gesamte Sortiment der Händler umgelegt.

123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.