Das Beschneidungsurteil des LG Köln - Konsequenzen und Verhaltenshinweise

Mehr zum Thema: Strafrecht, Beschneidung, Landgericht Köln, Beschneidungsurteil, Erziehungsrecht, Körperverletzung
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Im folgenden Artikel befasst sich Rechtsanwalt Türker mit dem aktuellen sog. "Beschneidungsurteil" des Landgericht Köln. Die Konsequenzen dieses Urteils werden aufgezeigt.

In einer aufsehenerregenden Entscheidung hat das LG Köln entschieden, dass die Beschneidung von Kindern eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung nach sich ziehen kann.

Was war passiert?

Der Angeklagte, ein Arzt, führte am 04.11.2010 in seiner Praxis unter örtlicher Betäubung die Beschneidung eines 4-Jährigen  auf Wunsch von dessen Eltern durch, ohne dass für die Operation eine medizinische Indikation vorlag. Er vernähte die Wunden des Kindes. Es kam zu Nachblutungen. Am 06.11.2010 wurde das Kind von seiner Mutter in die Kindernotaufnahme der Universitätsklinik in Köln gebracht, um Nachblutungen zu behandeln. Die Blutungen wurden dort gestillt.

Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ein.

Freispruch in erster Instanz

Das Amtsgericht Köln sprach den Angeklagten frei. Es vertrat die Auffassung, dass der Eingriff tatbestandsmäßig aufgrund der wirksamen Einwilligung der Eltern des Kindes als Personensorgeberechtigten gerechtfertigt sei, da sich diese an dem „Wohl ihres Kindes" ausrichte.

Freispruch auch in zweiter Instanz

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen dieses Urteil ein. Auch das Landgericht Köln sprach den Angeklagten im Ergebnis frei.

Allerdings betonte das Landgericht, dass eine Einwilligung nicht vorlag. Ein 4-Jähriger könne nicht in den Eingriff einwilligen, weil er die Einsichtsfähigkeit nicht besitze. Eine Einwilligung der Eltern lag vor. Dieser könne aber keine rechtfertigende Wirkung beigemessen werden.

Gemäß § 1627 Satz 1 BGB seien vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienten. Die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Kindes diene weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes, noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes.

Die Religionsfreiheit der Eltern und ihr Erziehungsrecht würden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung begrenzt.

Zudem werde der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider. Umgekehrt werde das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten seien abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet.

Der Angeklagte habe jedoch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld gehandelt, d.h. er hätte die Strafbarkeit seines Tuns nicht erkennen können

Konsequenzen

1. In Zukunft werden Ärzte wohl davon Abstand nehmen, Beschneidungen durchzuführen, da nunmehr kein Irrtum über das verbotene Handeln in Frage käme.

2. Allerdings kann es gerade jetzt vorkommen, dass sich Ärzte "opfern" und eine strafrechtliche Verurteilung riskieren, um den Fall vor den BGH und/oder das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Dies könnte eine erneute Änderung der Rechtsprechung mit sich bringen.

3. Das Urteil des Landgericht Köln hat keine Gesetzeskraft und bindet nur die im konkreten Fall Beteiligten. Es kann durchaus sein, dass andere Gerichte zu komplett anderen Ergebnissen gelangen.

4. Daher ist es falsch zu behaupten, dass die Beschneidung in Deutschland generell verboten sei. Richtig ist der Satz, dass ein Landgericht die Beschneidung als ungerechtfertigte Körperverletzung gewertet hat, die Entwicklung aber noch abzuwarten ist.

Verhaltenshinweise

1. Für Ärzte gilt, dass sie, wenn sie eine strafgerichtliche Verurteilung nicht in Kauf nehmen wollen, unbedingt die Beschneidung von Minderjährigen (einstweilen) einstellen sollten, selbst wenn das Einverständnis der Eltern vorliegt, es sei denn die Beschneidung ist medizinisch geboten.

2. Für Eltern gilt: Eine wirksame Einwilligung dürfte nach wie vor gegeben sein, wenn die Beschneidung medizinisch geboten ist. Darüber sollte mit dem jeweiligen Arzt gesprochen werden. Wenn dieser zu der Auffassung gelangt, dass eine medizinische Indikation vorliegt, dürfte eine Strafbarkeit ausscheiden. Allerdings bleibt auch hier die Entwicklung abzuwarten.

Wer gänzlich sicher gehen will, sollte abwarten, bis das Kind die erforderliche Einsichtsfähigkeit erreicht hat, um dem Eingriff selbst zustimmen zu können.