Bewertungen im Internet - Was darf man und was nicht?

Mehr zum Thema: Experteninterviews, Bewertung, online, Internet, Meinungsfreiheit, Tatsachenbehauptungen, Löschung
4 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
19

Wie darf man online bewerten? Informationen für Verbraucher, Plattformbetreiber und Unternehmen zum Umgang mit Online Bewertungen

Bewertungen sind ein nützliches Tool, um Informationen über die Qualität von Angeboten im Internet zu bekommen. Dabei können sie jedoch sowohl Fluch als auch Segen sein. Negative Bewertungen können großen Schaden anzurichten. Was ist erlaubt und was muss man sich bei Bewertungen nicht gefallen lassen? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Markus Timm, Fachanwalt für Informationstechnologierecht.

"Unwahre Tatsachenbehauptungen haben in einer Bewertung nichts zu suchen"

123recht.de: Herr Timm, was darf in eine Bewertung und was hat darin nichts zu suchen?

Rechtsanwalt Markus Timm: Die Bewertung soll dazu dienen, die persönliche Erfahrung mit einem Vertragspartner anderen zur eigenen Orientierung zur Verfügung zu stellen. Dabei kann es sich um die Beschreibung von Tatsachen handeln, z.B. "Mein Auto kam sogar einen Tag früher als angekündigt" oder um eine Meinungsäußerung, z.B. "Super! Jederzeit wieder!".

Der Inhalt der Bewertung muss, soweit es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt, wahr sein. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind juristisch angreifbar und haben in einer Bewertung deshalb nichts zu suchen.

Wenn in einer Bewertung eine Meinung wiedergegeben wird, darf diese nicht die Grenze zur so genannten Schmähkritik überschreiten. Beispiel für eine Meinungsäußerung ist "Ich empfand die Dame am Telefon als unangenehm und kurz angebunden". Die Äußerung, "Die Olle am Telefon ist eine dumme Zicke!" ist als Schmähkritik einzustufen und gehört nicht in eine Bewertung.

Schmähkritik stellt die Grenze zur Meinungsfreiheit dar

123recht.de: Meinungsfreiheit ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. Wo liegt die Grenze?

Rechtsanwalt Markus Timm: Die Grenze der grundgesetzlich gewährten Meinungsfreiheit (Artikel 5 des Grundgesetz) liegt dort, wo die geäußerte Meinung die Grenze zur Schmähkritik überschreitet. Es ist zwar erlaubt zu sagen, dass einem etwas nicht gepasst hat (z.B. "Ich bin mit dem Verhalten des Verkäufers sehr unzufrieden". Nicht mehr geschützt ist die Meinungsäußerung aber dann, wenn die Äußerung beleidigend ist. Das ist z.B. der Fall, wenn ich mich über einen Verkäufer auf eBay, über den ich mich geärgert habe, so äußere: "Der Verkäufer ist ein Spinner." Schmähkritik stellt deshalb auch häufig den Straftatbestand einer Beleidigung dar.

123recht.de: Gibt es Unterschiede, ob ich auf einer gewerblichen Seite wie Amazon einen Händler oder in einem Forum einen User bewerte?

Rechtsanwalt Markus Timm: Grundsätzlich macht es keinen Unterschied, ob sich eine unzulässige Bewertung gegen einen Händler auf Amazon oder eine Privatperson in einem Forum richtet. Auch einem Händler, der ja auch eine juristische Person (z.B. GmbH, AG, Ltd.) sein kann, steht ein (Unternehmer-) Persönlichkeitsrecht zu. Eine unzulässige Bewertung eines Händlers stellt zudem möglicherweise einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Seitenbetreiber sind erst nach Beschwerde zur Bewertungsprüfung verpflichtet

123recht.de: Müssen Bewertungen überprüft werden, bevor Sie online gehen?

Rechtsanwalt Markus Timm: Derjenige, der die Bewertung abgibt, sollte die Regeln für ein zulässige Bewertung stets beachten. Für den Provider - wie z.B. den Betreiber des Online-Marktplatzes - gibt es grundsätzlich keine Pflicht, Bewertung vor der Veröffentlichung zu prüfen. Jedoch entstehen Prüfpflichten, sobald der Provider auf eine mögliche Rechtsverletzung hingewiesen wird. Es gelten dann die Regeln der so genannten Störerhaftung. Hieraus können sich ein Unterlassungs- und Löschungsanspruch auch gegen den Provider ergeben.

Es besteht kein Anspruch auf Löschung, nur weil Bewertung negativ ist

123recht.de: Kann man als Bewerteter Bewertungen löschen lassen, nur weil Sie negativ sind?

Rechtsanwalt Markus Timm: Wenn es um den negativen Inhalt einer Bewertung geht, besteht ein Anspruch auf Löschung dann, wenn der Inhalt entweder unwahr ist (falsche Tatsachenbehauptung) oder der Inhalt eine Schmähkritik darstellt.

Eine negative Bewertung ohne Inhalt gibt jedoch noch keinen Anspruch auf Löschung. So hat das Amtsgericht Bremen in einer Entscheidung von 2009 ausgeführt, dass eine solche Bewertung immer eine subjektive Wertung des einzelnen Kunden darstellt, mit der dieser seinen Gesamteindruck mitteilt (AG Bremen, Urteil vom 27. November 2009 – 9 C 412/09). Die "Benotung" von Lehrern stellt laut höchstrichterlicher Rechtsprechung ebenfalls eine Meinungsäußerungen bzw. ein von Art. 5 GG geschütztes Werturteil dar (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08 –, BGHZ 181, 328-345, Rn. 4) und führt daher weder zu einem Unterlassungs- noch zu einem Löschungsanspruch.

Anspruchsgegner ist der Bewertende oder der Plattformbetreiber

123recht.de: An wen muss ich mich wenden, wenn ich eine Bewertung gelöscht haben möchte?

Rechtsanwalt Markus Timm: Es kommen letztlich zwei mögliche Anspruchsgegner in Betracht: Zum einen derjenige, der die Bewertung verfasst hat. Da dieser dem Bewerteten aber häufig nicht bekannt ist, kann auch auf den Betreiber des Bewertungsportals zurückgegriffen werden.

Üblicherweise muss der Betroffene den Provider auf die Rechtsverletzung hinweisen, da eine generelle Prüfpflicht des Providers regelmäßig abgelehnt wird. Es kommt darauf an, ob die Rechtsverletzung eines Dritten aufgrund einer unklaren Rechtslage erst nach eingehender rechtlicher oder tatsächlicher Prüfung festgestellt werden kann oder ob sie für den Betreiber offenkundig oder unschwer zu erkennen ist (BGH, Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04 - Internetversteigerung II). Das heißt, dass der Betreiber über die rechtswidrige Bewertung in Kenntnis gesetzt werden muss und zwar so konkret, dass der Rechtsverstoß unschwer überprüft werden kann.

Geht es wegen der Bewertung vor Gericht, bedarf es eines Anwalts

123recht.de: Kann ich das selber machen oder bedarf es zwingend eines Anwalts?

Rechtsanwalt Markus Timm: Außergerichtlich kann der Betroffene seine Rechte gegenüber dem Äußernden oder dem Provider selbst geltend machen. Es ist aber darauf zu achten, dass gewisse "Spielregeln" eingehalten werden, um in einem folgenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder im Hauptsacheverfahren keine Nachteile zu haben. So sieht das Gesetz z.B. vor, dass ohne vorherige Abmahnung ein sofortiges Anerkenntnis im Gerichtsverfahren zur vollen Kostenlast des Betroffenen führen kann. D.h., er muss sämtliche Kosten tragen, obwohl er im Recht sein kann.

Für das gerichtliche Verfahren ist aufgrund des häufig hohen Streitwerts die Vertretung durch einen Anwalt gesetzlich vorgeschrieben.

123recht.de: Welche Ansprüche habe ich noch bei einer ungerechtfertigten Bewertung? Gegenüber wem habe ich diese Ansprüche?

Rechtsanwalt Markus Timm: Derjenige, der von einer ungerechtfertigten Bewertung betroffen ist, hat einen Anspruch auf Unterlassung, Löschung, Auskunft - wo z.B. entsprechende Äußerungen noch erfolgten - und Schadensersatz. Vom Schadensersatz sind auch der Ersatz der entstandenen Anwalts- und ggf. Gerichtskosten umfasst.

Die Ansprüche können sich je nach Fallgestaltung gegen den Bewertenden und/oder den Betreiber der Bewertungsplattform richten.

Einstweiliger Rechtsschutz, wenn es schnell gehen muss

123recht.de: Wie setze ich diese Ansprüche durch?

Rechtsanwalt Markus Timm: Dem Betroffenen steht in diesen Fällen häufig die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zu. Das ist ein besonders effizientes Verfahren, Rechtsverletzungen zügig zu unterbinden. Dabei handelt es sich aber nur um eine "vorläufige" Entscheidung, die ein ordentliches Gerichtsverfahren nicht ersetzt. Nur wenn der Anspruchsgegner die Entscheidung der einstweiligen Verfügung als endgültig rechtsverbindlich anerkennt, erwächst die Entscheidung gleich einem Urteil im Hauptsacheverfahren in Rechtskraft.

Die Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung sind rechtlich komplex und bedürfen der Begleitung durch einen in diesem Bereich erfahrenen Anwalt.

Fakebewertungen unterliegen den gleichen Grundsätzen wie echte Bewertungen

123recht.de: Wie ist die Rechtslage bei Fakebewertungen, z.B. von Hotels?

Rechtsanwalt Markus Timm: Auch "unechte" Bewertungen unterliegen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit den bereits erörterten Kriterien. Wobei sich die Frage stellt, wie man "echte" von "unechten" Bewertungen unterscheiden soll.

So hat z.B. das Landgericht Hamburg und sodann das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass auch anonyme Bewertungen den Schutz der Meinungsfreiheit genießen (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 18. Januar 2012, 5 U 51/11). Das Gericht hat in diesem Fall hervorgehoben, dass dem bewerteten Hotel durch das Bewertungsportal die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den negativen Bewertungen zusteht.

Außerdem könne das betroffene Hotel gegen einzelne Bewertungen nach den weiter oben bereits erörterten Kriterien gerichtlich vorgehen. Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass der Betreiber einer solchen Bewertungsplattform keine gegenüber anderen Betreibern von Bewertungsplattformen weitergehende Pflichten trifft.

Bei gefälschten Bewertungen droht eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung

123recht.de: Und was ist mit Bewertungen, die Unternehmen selbst über sich in Umlauf bringen, um gutes Licht auf sich oder die Produkte zu werfen?

Rechtsanwalt Markus Timm: Unternehmen haben mittlerweile natürlich erkannt, wie wichtig gute Bewertungen im Internet sind. Wer aber als vermeintlich zufriedener Kunden eine positive Bewertungen über das eigene Unternehmen abgibt, verstößt regelmäßig gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Da der Verbraucher, der sich über einen Verkäufer im Netz informiert, der Bewertung eines anderen Kunden eine weit größere Bedeutung beimisst als der Selbstbeweihräucherung durch den Verkäufer (in dem Fall handelt es sich schlicht um Werbung), liegt eine gesetzeswidrige Schleichwerbung vor. Wettbewerber haben damit die Möglichkeit, gegen eine solche unlautere Wettbewerbshandlung rechtlich vorzugehen. Auch verstoßen Fake-Bewertungen gegen die Nutzungsbedingungen von Verkaufs-Plattformen, sodass auch ein Ausschluss von der Plattform droht.

Die Drohung mit negativer Bewertung kann eine Nötigung darstellen

123recht.de: Wie sieht es aus, wenn mich ein Käufer mit Androhung einer negativen Bewertung unter Druck setzen will. Ist das erlaubt? Habe ich einen Anspruch auf Löschung, wenn das z.B. durch Mailverkehr dokumentiert ist?

Rechtsanwalt Markus Timm: Das Unterdrucksetzen mit einer "falschen" negativen Bewertung kann den Tatbestand einer versuchten Nötigung darstellen. Der Schutz der Meinungsfreiheit geht nicht soweit, die Durchsetzung eigener Interessen mit falschen Aussagen oder Meinungsäußerungen zu fördern. Der Betroffen sollte hier zu entsprechenden "Androhungen" Aktenvermerke anfertigen oder - falls die "Androhung" per Mail erfolgte - E-Mails als Beweismittel aufheben. Ein entsprechender Hinweis an den "Täter", dass ggf. Strafanzeige erstattet wird, kann hier schon helfen - aber auch eskalieren. Hier ist - wie immer - Fingerspitzengefühl angebracht.

Für den Anspruch auf Löschung kommt es wieder auf die Frage an, ob die Bewertung inhaltlich falsch oder Schmähkritik ist. Liegt der Fall so, dass die Bewertung nachweisbar nur deshalb erfolgte, weil der Betroffene sich nicht auf die Forderung (z.B. nach einem Preisnachlass) eingelassen hat, könnte ein Löschungsanspruch gegeben sein. Dazu müsste der Betroffene aber beweisen können, dass es sich nicht um eine Meinungsäußerung handelt, sondern um die angekündigte Konsequenz der Nötigung.