Beweiskraft öffentlicher Urkunden vs. freie Beweiswürdigung durch Gericht

8. März 2017 Thema abonnieren
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guest-12328.06.2022 18:42:04
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Beweiskraft öffentlicher Urkunden vs. freie Beweiswürdigung durch Gericht

Hallo,

es geht um die Beweiskraft öffentlicher Urkunden (notariell beglaubigter Vertrag) in Verbindung mit der freien Würdigung von Beweisen durch ein Gericht.

Öffentliche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, daß die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde. Darüber hinaus besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Es wird also vermutet, daß das, was im beurkundeten Text steht, der Vereinbarung entspricht und nur das vereinbart wurde.

Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

Hypothetischer Sachverhalt:

A, B und C schließen einen notariell beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrag.

A behauptet später, der Vertrag sei an einer Stelle nicht richtig beurkundet - bei der Ermittlung des Reinnachlasses seien fälscherweise Beerdigungskosten in Abzug gebracht worden. Diese sollten jedoch aus dem Verkaufserlös eines Bildes des Erblassers beglichen werden.

Das von A gewollte Rechtsgeschäft wurde also nicht beurkundet, aber das von ihm beurkundete Rechtsgeschäft war nicht gewollt.

Plötzlich haut C in die Kerbe des A und behauptet ebenfalls, der Verkaufserlös dieses Bildes sei für die Beerdigungskosten vorgesehen gewesen. Das, was im Vertrag steht, stimmt so nicht.

B will davon nichts wissen und beruft sich auf "pacta sunt servanda".

So, nun die Kardinalfragen:

1.
Könnte ein Gericht im Rahmen der freien Würdigung von Beweisen diesen notariellen Vertrag quasi "aushebeln" oder ist die Freiheit der Beweiswürdigung eingeschränkt weil es sich um eine öffentliche Urkunde mit entsprechender Beweiskraft handelt?

Falls ein Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung diesen Vertrag aushebeln könnte, wäre die Folge dann ja Pkt. 2

2.
Wenn nun im notariellen Vertrag etwas anderes beurkundet wurde als von A und C tatsächlich gewollt war, müßten doch die von A und C abgegebenen Willenserklärungen im Vertrag entweder unter einem geheimen Vorbehalt abgegeben worden sein oder sie wären als nicht ernstlich gemeint zu verstehen sein (Scherzerklärung).

Geheimer Vorbehalt ist unbeachtlich, eine Scherzerklärung würde einen Vertrauensschadenanspruch des B begründen.

B hat allerdings kein Interesse, am Vertrag festzuhalten, wenn die Darstellung des A und C von einem Gericht als richtig beurteilt wird.

Anfechtung ist aber wegen absoluten Fristablauf (10 Jahre) ausgeschlossen, man könnte also nur noch über eine Störung der Geschäftsgrundlage agieren.

Auch B ist ja an den Vertrag gebunden - insofern möchte er nun abwarten, was passiert. Ein Gerichtsurteil wäre nach seiner Auffassung hilfreich, wenn dort festgestellt wird, die Darstellung des A und C trifft zu. Dann bräuchte er diesen Vertrag doch gar nicht angreifen, weil ein Gericht den schon "gekippt" hätte.

Vielleicht hat ja der eine oder andere eine Anmerkung dazu. Die wäre hilfreich für B, bevor er nun mit einem Anwalt die Sache angeht.


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