Bewegungsmelder im Verwaltungsrecht

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65 Jahre neu: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Wer auf dem richtigen Weg ist, aber kurz vor dem Ziel falsch abbiegt, landet in einem grau-grünen Wohngebiet mit Genossenschaftswohnungen. Häuser an denen der Zahn der Zeit schon ein wenig genagt hat, die aber mitunter neue Balkone erhalten haben. In ihrer Mitte liegen in leuchtenden Farben zwei Kindertagesstätten. Ein Sinnbild möchte man fast meinen, lässt sich die Beschreibung doch auch auf die 65 Jahre alte und nun frisch umbenannte Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer übertragen. Eine Kaderschmiede von französischen Besatzungsgnaden, die 17 Genossen pflegen: der Bund und die Länder.

 

Flach liegen die Gebäude da. Keines höher als drei Stockwerke. Der Campus der Universität ist überschaubar. Fast möchte man die Ansammlung der Gebäude mit den Wiesen und einigen Aufenthaltsflächen für eine Grundschule halten. Und tatsächlich erfüllt sie eine solche Funktion. Seit 1947 lernen in Speyer die zukünftigen Führungskräfte der Verwaltung, der Behörden und Ministerien, der Gerichte und Parlamente das Recht. Von ihren Gründern am französischen Vorbild der École nationale d'administration (ENA) orientiert und häufig genug als ihr Spiegelbild bezeichnet, zieht die Nischenuniversität Studierende aller Bundesländer und auch aus dem Ausland an.

Vor allen Dingen Juristen durchlaufen einen der wenigen Studiengänge. Das verwaltungswissenschaftliche Aufbaustudium ist als Baustein für das juristische Referendariat, also für die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen anerkannt. Daneben treten seit jeher ein Magisterstudiengang der Verwaltungswissenschaften, der wohl in Kürze einem Master weichen wird. Und eben drei neue Masterstudiengänge, denn der Bologna-Prozess ist auch in Rheinland-Pfalz angekommen.

Staat machen

Das ist nicht selbstverständlich mag man meinen, wenn man die Geschichte und Entwicklung der Hochschule betrachtet. Denn gerade überlegt sich Speyer seinem Städtenamen die „Dom- und Universitätsstadt“ beizufügen, da stellt man vor Ort überrascht fest: Speyer ist nicht ganz up to date. Die Hochschule nannte sich lange Zeit nur „Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer“ oder eben seit 1998 „Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer“. Sie vergibt Magister- und Masterabschlüsse, an ihr promovieren sich Studierende zum Dr. iur., Dr. rer. publ. oder Dr. rer. pol., die Hochschule habilitiert angehende Professoren und verleiht ihnen die Lehrbefugnis (venia legendi). Aber sie nennt sich bescheiden nur „Hochschule“. Damit ist kein Staat zu machen und auch die deutsche Hochschullandschaft verbindet mit dem Begriff zwischenzeitlich anderes: Fachhochschulen haben das „Fach-“ allerorten abgelegt. Daher muss und darf die Deutsche Hochschule nun seit dem 27. März 2012 „Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer“ heißen.

Der Wechsel von der Hochschule zur Universität, der vor allen Dingen ja ein namentlicher ist, vollzieht sich denn auch in der vorlesungsfreien Zeit, das Wohnheim auf dem Campus, die Bibliothek und die Hörsäle, von denen der kleinste wohl gerade 20 Personen fasst, sind leer. Die Umstellung ist vor allem also technischer Natur. Die Webmaster überarbeiten im Hintergrund die Homepage, Briefkopf und Aushänge, Musterschreiben und Broschüren werden aktualisiert. Es wird einen Moment dauern, bis die neue, alte Universität überall Platz gegriffen hat.

„Hörerschaft“ klingt nicht nach Protest

Vielleicht wird dies so langsam vor sich gehen, wie auch im Übrigen Ruhe und Gelassenheit in Speyer ausgestrahlt werden. Die Bushaltestelle vor der Tür heißt immer noch „Verwaltungshochschule“, schon der letzte Namenswechsel hatte sich dort nicht niedergeschlagen. Die Mensa heißt „Taberna“ nach altrömischem Vorbild und die verfasste Studierendenschaft heißt nicht „AStA“, was stets auch nach Protest klingt, sondern „Hörerschaft“, was beruhigend wirkt.

Die Veränderungen, die vor Ort auf dem Campus also um sich greifen, sind manchmal klein und unscheinbar. Es sind die stromsparenden Bewegungsmelder auf den Fluren des Wohnheims oder das seit Jahren verfügbare WLAN-Netz. Es ist sind die Speyerer Führungswerkstätten, die Tagungen und Seminare. Die Anstöße für eine moderne Verwaltung, die kritischen Nachfragen des ehemaligen Rektors und Altbundespräsidenten Roman Herzog zum Verfassungsrecht oder des Professors im Ruhestand von Arnim (der schon seit 2005 emeritiert ist, aber umso häufiger öffentlich wahrgenommen wird) zum Ehrensold eines Bundespräsidenten.

So gesehen spiegelt der robuste Flachbau von Architekt Sep Ruf auch das inhaltliche Konzept der Universität wider. Am Stadtrand von Speyer werden die Führungskräfte der Verwaltungen ausgebildet, fortgebildet und miteinander vernetzt. Hier werden fachliche Grundlagen geschaffen und durch die Forschung in der Universität und dem angegliederten Forschungsinstitut stets an der aktuellen Entwicklung von Staat und Gesellschaft gemessen und weiterentwickelt. Mediation und Medien sind hier keine Modebegriffe, sondern im Vorlesungsprogramm bereits enthalten. Und so verwundert es auch nicht, dass das Internet die jetzige Umbenennung schon vor vielen Jahren vorweggenommen hat. Die neugewählte offizielle Domain www.uni-speyer.de gehört der Hochschule bereits seit 2008. Sie reagiert eben sensibel und manchmal auch vorzeitig, wie ein guter Bewegungsmelder im Verwaltungsrecht.