Betrug durch Arbeitgeber?

28. März 2017 Thema abonnieren
 Von 
JoeyNickel
Status:
Schüler
(326 Beiträge, 64x hilfreich)
Betrug durch Arbeitgeber?

Hallo,

eine Firma mit (zu Spitzenzeiten) > 1000 Beschäftigten gewährt ihren Vollzeit-Beschäftigten unabhängig von Betriebszugehörigkeit, Branchenzugehörigkeit und auch entgegen des Manteltarifvertrages zu wenig Urlaub (vier Tage pro Jahr zu wenig). Die Begründung für den zu wenig gewährten Urlaub sorgt bei den Gewerkschaften für ein breites Lächeln, da vollkommen konstruiert und an den Haaren herbeigezogen.

Daraus entsteht dem Einzelnen ein materieller Schaden durch nicht gewährten Urlaub in Höhe von knapp 530 Euro / Jahr.

Des Weiteren sieht der Manteltarifvertrag Lohnaufschläge von 25 % für geleistete Arbeit ab einer bestimmten Stundenzahl im Monat vor - auch diese wird nachweislich nicht gezahlt.

Ausserdem werden Vergütungen von 50 % für Freischichten, die nicht nachträglich gewährt werden, nicht gezahlt.

Geht man davon aus, dass insbesondere die Problematik des Urlaubs (der Rest dürfte eher auf einen kleinen Teil des Personals zutreffen) auf einige hundert Mitarbeiter zutreffen könnte, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um einen Verstoss gegen

- § 263 StGB

und ggf. auch, da durch das Nicht-Zahlen von Arbeitslohn ja auch ein Schaden an Sozialversicherungsträgern etc. entsteht, ein Verstoss gegen

- § 266a StGB

vorliegt.

Sachkundige Meinungen würden mich diesbezüglich interessieren - vielen Dank im Voraus.

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10 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120335 Beiträge, 39876x hilfreich)

Zitat (von JoeyNickel):
sorgt bei den Gewerkschaften für ein breites Lächeln

Und nicht mehr? Bei den Arbeitnehmern samt und sonders auch nicht?
Tja, dann könnte doch glatt überlegen, ob es hier nicht eine einvernehmliche, konkludente Vertragsänderung gab. Je nachdem wie lange das ganze schon so geht.
Dann wäre auch der Betrug und das veruntreuuen vom Tisch.


Ansonsten könnte das bewusste vorenthalten tatsächlich nach § 263 StGB , § 266a StGB strafrechtlich relevant sein.
Kommt halt darauf an, ob sich ein Schuldiger ermitteln liese oder ob es wie des öfteren ein "Fehler in der Software" war.



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
JoeyNickel
Status:
Schüler
(326 Beiträge, 64x hilfreich)

Zitat:
Und nicht mehr? Bei den Arbeitnehmern samt und sonders auch nicht?

Da herrscht die Mentalität vor "besser nichts sagen, sonst keinen Job".

Zitat:
Tja, dann könnte doch glatt überlegen, ob es hier nicht eine einvernehmliche, konkludente Vertragsänderung gab. Je nachdem wie lange das ganze schon so geht.
Dann wäre auch der Betrug und das veruntreuuen vom Tisch.

Das geht schon eine ganze Weile, mal mindestens 1,5 Jahre.

Zitat:
Ansonsten könnte das bewusste vorenthalten tatsächlich nach § 263 StGB , § 266a StGB strafrechtlich relevant sein.
Kommt halt darauf an, ob sich ein Schuldiger ermitteln liese oder ob es wie des öfteren ein "Fehler in der Software" war.

Ich denke, das kommt eher nicht in Frage, da man sich auf den Manteltarifvertrag bezieht und diesen auch "im Prinzip" für richtig hält, aber seine eigenen Vorstellungen hat, warum man diesen nicht einhält. Das einfach mal auf die Technik schieben ist wohl nicht möglich. Zudem auf Nachfrage, warum die Anzahl der Urlaubstage sind, wie sie sind, auch immer anders begründet werden. Man weiss wohl nicht so recht, wie man sich da mündlich (schriftlich bekommt man da ja gar nichts) zu äussern soll.

Und im Zweifel könnte man ja für die Belegschaft mal eine solche Klage anstreben. Letzendlich klagt die StA ja nur, wenn sie den Sachverhalt nachvollziehen kann. Und das würde dann sicherlich schon einen Grund haben. Ist ja nicht das erste Ermittlungsverfahren, welches gegen das Unternehmen läuft.

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#3
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38481 Beiträge, 14013x hilfreich)

Die erste Frage ist doch, ob der Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist. Das wissen wir nicht. Ob die Berechnung in Ordnung ist oder nicht, abgesehen davon, das wissen wir auch nicht. Und - ganz ehrlich - der Staatsanwalt sorgt nicht dafür, dass irgendwelche Mißstände im Betrieb abgeschafft werden. Das ist eben das Arbeitsgericht. Ermittlungsverfahren gegen einen Betrieb gibt es nicht. Nur gegen Personen.

Man sollte hier erst einmal Basisarbeit leisten. Und dann sieht man weiter.

wirdwerden

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#4
 Von 
JoeyNickel
Status:
Schüler
(326 Beiträge, 64x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
Die erste Frage ist doch, ob der Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist. Das wissen wir nicht.

Der Arbeitsvertrag bezieht sich zumindest auf genau diesen Tarifvertrag, der für das entsprechende Bundesland auch allgemeinverbindlich ist.

Zitat:
Ob die Berechnung in Ordnung ist oder nicht, abgesehen davon, das wissen wir auch nicht.

Die Berechnung ist NICHT in Ordnung.

Der TV geht bei einer 6-Tage-Woche von 26 Urlaubstagen als Minimum aus. Dies wird vom Unternehmen "im Prinzip" auch genau so gesehen. Begründung ist diesmal, dass „natürlich" von einer 6-Tage-Woche ausgegangen wird und deswegen „natürlich" den Mitarbeitern 26 Tage Urlaub zustünden, dann aber auch bei der Beantragung einer Woche Urlaub 6 Tage Urlaub beantragt werden müssten. Dies sei ja ein „hoher Verlust an Urlaubstagen für den Mitarbeiter", somit würde das Unternehmen nur 22 Tage Urlaub gewähren, dafür dann aber bei der Beantragung einer Urlaubswoche auch nur 5 Tage in Abzug bringen. Dies wäre wohl „vorteilhafter für den Arbeitnehmer". Schriftlich findet sich diese Begründung natürlich nirgendwo, im Arbeitsvertrag ist lediglich von 22 Tagen Urlaub die Rede.

• Bei 22 Tagen Urlaub kann man vier Wochen Urlaub nehmen (Rest 2 Tage) und muss dafür 4 x 5 Tage Urlaub beantragen, die man auch ausgezahlt bekommt
• Bei 26 Tagen Urlaub kann man ebenfalls nur vier Wochen Urlaub nehmen (Rest ebenfalls 2 Tage), muss dafür dann 4 x 6 Tage Urlaub beantragen. Man hätte damit sogar noch einen finanziellen Vorteil von 4 x 1 Tag Urlaub.
• Wenn man keine kompletten Urlaubswochen nehmen möchte, sondern Einzeltage oder verlängerte Wochenende / Brückentage auffüllen möchte, werden mit der von der Firma gewählten Variante vier Urlaubstage vorenthalten.


Zitat:
Und - ganz ehrlich - der Staatsanwalt sorgt nicht dafür, dass irgendwelche Mißstände im Betrieb abgeschafft werden. Das ist eben das Arbeitsgericht.

Sicherlich. Eine Verurteilung wegen Betruges, sofern es zu einem entsprechenden Verfahren kommt, könnte aber durchaus einige Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten des Betriebes haben, und somit durchaus auch Mißstände abschaffen. Auch, wenn das nicht die Aufgabe der StA ist.


Zitat:
Ermittlungsverfahren gegen einen Betrieb gibt es nicht. Nur gegen Personen.

Richtig. Korrigiert auf die "Führungsebene des Betriebes".

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#5
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9522x hilfreich)

Zitat:
Eine Verurteilung wegen Betruges, sofern es zu einem entsprechenden Verfahren kommt, könnte aber durchaus einige Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten des Betriebes haben, und somit durchaus auch Mißstände abschaffen. .


Dann kann der (sich) betrogene (fühlende) Arbeitnehmer ja sein dahingehendes Glück versuchen und Strafanzeige gegen die Tatverdächtigen erstatten. Dann wird man weitersehen.

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16551 Beiträge, 9318x hilfreich)

Für einen Betrug fehlen doch doch ganz einfach die Tatbestandsmerkmale der Täuschung und des Irrtums.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
JoeyNickel
Status:
Schüler
(326 Beiträge, 64x hilfreich)

Zitat (von drkabo):
Für einen Betrug fehlen doch doch ganz einfach die Tatbestandsmerkmale der Täuschung und des Irrtums.


Nein, warum?

Zitat:
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Wenn das Unternehmen einem AN falsche Tatsachen schildert, dass die vertraglich vereinbarten Urlaubstage rechtmässig wären, dann sehe ich das genau darin. Denn da werden falsche Tatsachen vorgespiegelt. Und der Vermögensvorteil für das Unternehmen bzw. der Schaden für den AN ist auch ganz klar zu beziffern.

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
Osmos
Status:
Lehrling
(1746 Beiträge, 618x hilfreich)

Zitat (von JoeyNickel):
Denn da werden falsche Tatsachen vorgespiegelt.


Genau das kann ich der bisherigen Schilderung nicht entnehmen. Der AG scheint das interne Berechnungsschema und das Verfahren seiner Anwendung komplett offen gelegt zu haben. Eine Täuschungsabsicht kann ich hierbei demnach nicht erkennen. Und wenn das angewandte Berechnungsverfahren eben nicht dem gültigen TV entspricht, ist das gut ersichtlich und damit ein Fall für das Arbeitsrecht. Strafrechtlich sehe ich im geschilderten Fall - wie meine Vorschreiber - wenig Ansatzpunkte.


-- Editiert von Osmos am 29.03.2017 11:34

Signatur:

Meine persönliche Meinung

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
JoeyNickel
Status:
Schüler
(326 Beiträge, 64x hilfreich)

Zitat:
Genau das kann ich der bisherigen Schilderung nicht entnehmen. Der AG scheint das interne Berechnungsschema und das Verfahren seiner Anwendung komplett offen gelegt zu haben.

Eben nicht, es gibt zig verschiedene Aussagen, warum gerade die 26 Tage nicht gewährt werden. Die Begründungen sind seitens der Gewerkschaften lächerlich (und auch mathematisch gar nicht nachvollziehbar). Eine Offenlegung, aufgrund welcher Berechnung Urlaubsanspruch gewährt wird, existiert nicht. Und GERADE in den unterschiedlichen, sich widersprechenden Aussagen sehe ich eine Täschungsabsicht.

Aber wir werden sehen, es kommen ja noch einige andere Punkte zusammen.

0x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16551 Beiträge, 9318x hilfreich)

Aber der Tarifvertrag und der Arbeitsvertrag liegen offen.
Und dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedliche Schlüsse daraus ziehen bzw. der Arbeitgeber möglicherweise versucht, sich mit fadenscheinigen Begründungen vor seinen Verpflichtungen zu drücken - das macht daraus noch keine Täuschung.
Und vor allem bewirkt das keinen Irrtum beim Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer kenn ja seine Rechte aus dem (offenen liegenden) Tarifvertrag. Wenn der Arbeitnehmer diese Rechte nicht in Anspruch nehmen will oder er sich nicht für seine Rechte interessiert, dann ist das kein Irrtum.

Zitat:
Und wenn das angewandte Berechnungsverfahren eben nicht dem gültigen TV entspricht, ist das gut ersichtlich und damit ein Fall für das Arbeitsrecht. Strafrechtlich sehe ich im geschilderten Fall - wie meine Vorschreiber - wenig Ansatzpunkte.

So ist es.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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