Betriebsübergang / Standortschließung / Versetzungen / bei Firmen unter 4 Jahren kein Sozialplan dur

26. August 2017 Thema abonnieren
 Von 
Dopavin
Status:
Praktikant
(507 Beiträge, 120x hilfreich)
Betriebsübergang / Standortschließung / Versetzungen / bei Firmen unter 4 Jahren kein Sozialplan dur

Hallo zusammen,

mich würde interessieren, wie Ihr über folgenden, fiktiven Fall denkt:

Unternehmer besitzt zwei GmbHs. (Groß GmbH mit 4000 Mitarbeitern existiert seit 20 Jahren, Klein GmbH mit 30 zumeist Leiharbeitern seit 2 Jahren)
Nun kauft der Unternehmer den Standort eines anderen Unternehmens und lässt diesen Standort in die Klein GmbH einfließen. Dieser Standort ist sehr teuer, unrentabel hat aber lukrative Auftraggeber an Bord. Der Mietvertrag endet genau 1 Jahr nach dem Kauf.

Nun ist über die Einjährige Besitzstandswahrung zu lesen.

Zitat:
Geht ein Betrieb oder einen Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. ...


Der Unternehmer plant nun, wenn der Mietvertrag zusammen mit der Besitzstandswahrung nach einem Jahr ausläuft, den Standort zu schließen und allen Mitarbeitern einen neuen Arbeitsvertrag zu schlechteren Bedingungen (geringeres Gehalt, ähnlich der Haupt GmbH) anzubieten. Der neue Arbeitsort wäre 50 km entfernt, der Gründungsstandort der Klein GmbH und die lukrativen Auftraggeber würden dann dort weiter bedient.

Nun könnte der Betriebsrat am unrentablen Standort auf die Idee kommen, einen Sozialplan auszuhandeln und wenn es keine Einigung gibt, die Einigungsstelle anzurufen und einen Sozialplan zu erzwingen. Aber ups.., bei der Klein GmbH kann man gar keinen Sozialplan erzwingen, denn die Klein GmbH ist erst 2 Jahre alt.
Zitat:
In Betrieben neugegründeter Unternehmen können nur in den ersten vier Jahren nach der Unternehmensgründung Betriebsänderungen durchgeführt werden, ohne dass ein Sozialplan über die Einigungsstelle erzwungen werden kann, § 112a Abs. 2 BetrVG .


Gibt es Eurer Meinung nach in so einem Fall für die Mitarbeiter am unrentablen Standort eine Chance, ohne Sozialplan (denn dort wird es keine Einigung geben) eine Abfindung oder einem Ausgleich für die Versetzung hinzubekommen oder ist mein Konstrukt vom Unternehmer doch bis zum Ende durchdacht?

Sagen wir mal, wir befänden uns 6 Monate vor Ende dieser 1 Jahres-Frist und die Arbeitnehmer wissen vom Plan des Unternehmers. Ändert dies etwas an den Möglichkeiten der Arbeitnehmer? (Außer natürlich, auf dem Arbeitsmarkt tätig zu werden) Vielleicht gibt es Gesetze, die solch ein Gebaren verhindern.

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8 Antworten
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#1
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

Die von Ihnen hervorgehobene Frist gilt nur für die Regelungen aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, die Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Der Arbeitsort ist aber nichts was in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt wäre. Demnach ist der Arbeitsort auch vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang änderbar. Das geht entweder einseitig über das Direktionsrecht des AG oder durch Änderungskündigung. Da sieht es mit der Möglichkeit zu verhandeln für die AN gering aus.

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#2
 Von 
Dopavin
Status:
Praktikant
(507 Beiträge, 120x hilfreich)

Zitat:
Die von Ihnen hervorgehobene Frist gilt nur für die Regelungen aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, die Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Der Arbeitsort ist aber nichts was in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt wäre.


Die einjährige Besitzstandswahrung hatte ich hervorgehoben im Bezug auf das Gehalt, welches in diesem Fall nach einem Jahr am neuen Standort geringer ausfällt. Soweit ich gelesen hatte, bezieht sich diese Besitzstandswahrung auch auf das Thema Gehalt, allerdings haben Sie recht, im Gesetz steht nur was von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung. In meinem Fall ist das Gehalt nicht in diesen beiden vereinbart.

Zitat:
Demnach ist der Arbeitsort auch vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang änderbar.

Durchaus, allerdings bei Firmen >4 Jahren und mit Betriebsrat nicht ohne Sozialplan/Interessenausgleich.
In diesem Fall jedoch ist auch ein Sozialplan zwar verhandel- aber nicht durchsetzbar, richtig?

Somit müsste zumindest die Annahme richtig sein, dass nach einem Jahr (wohl mehr aufgrund des auslaufenden Mietvertrags und nicht aufgrund der Besitzstandswahrung) der Standort geschlossen und die Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen am 50km entfernten Standort zu wechseln haben oder bei Weigerung betriebsbedingt gekündigt werden können. Korrekt?

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#3
 Von 
0815Frager
Status:
Master
(4953 Beiträge, 2377x hilfreich)

Zitat (von Dopavin):
omit müsste zumindest die Annahme richtig sein, dass nach einem Jahr (wohl mehr aufgrund des auslaufenden Mietvertrags und nicht aufgrund der Besitzstandswahrung) der Standort geschlossen und die Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen am 50km entfernten Standort zu wechseln haben oder bei Weigerung betriebsbedingt gekündigt (123recht.net Tipp: Kündigung Arbeitsvertrag Arbeitnehmer ) werden können. Korrekt?

Richtig.

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#4
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

Was verstehen Sie unter schlechteren Konditionen?

Klar, ein weiterer Anfahrtsweg wird es sein, aber andere Konditionen, wie das Gehalt, kann der AG nicht einfach so einseitig ändern. Und zwar weder durch Direktionsrecht noch durch Änderungskündigung.

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#5
 Von 
Dopavin
Status:
Praktikant
(507 Beiträge, 120x hilfreich)

Zitat (von Eidechse):
Was verstehen Sie unter schlechteren Konditionen?

Klar, ein weiterer Anfahrtsweg wird es sein, aber andere Konditionen, wie das Gehalt, kann der AG nicht einfach so einseitig ändern. Und zwar weder durch Direktionsrecht noch durch Änderungskündigung.


Korrekt, es geht um den Plan, alle Gehälter anzupassen. Nicht so einfach, ja richtig. Jedoch machbar, wenn er es richtig macht und in diesem Fall gehe ich davon aus, dass der Unternehmer leider aufgrund seiner fachlichen Ausbildung genau weiß, wie sowas geht, vor allem der geforderte Sanierungsplan.

Zitat:
Das Bundesarbeitsgericht hat zu seinem Urteil vom 16.05.2002 – 2 AZR 292/01 folgende Orientierungssätze aufgestellt:

2. Hat sich die bisherige Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht verändert, so ist eine – isolierte – Reduzierung der vereinbarten Vergütung durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig.

3. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Ein Geldmangel allein kann den Schuldner nicht entlasten. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.

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#6
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

In der Praxis wird ein AG die Vorgaben durch das BAG kaum einhalten können. Unter Juristen oder ganz genau Arbeitsrechtlern gilt eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung praktisch als unmöglich.

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#7
 Von 
Dopavin
Status:
Praktikant
(507 Beiträge, 120x hilfreich)

Ja, also es liest sich definitiv schwer umsetzbar.

Dass der Betriebsrat hier allerdings aufgrund des Alters der GmbH (< 4 Jahre) keine Einigung eines Sozialplans erzwingen kann, ist korrekt, ja?

Somit wäre der Standortwechsel für die Mitarbeiter zu akzeptieren. Bei Ablehnung droht die betriebsbedingte Kündigung, die sicherlich auch gute Chancen hat, wirksam zu sein.

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#8
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

Zitat (von Dopavin):
Dass der Betriebsrat hier allerdings aufgrund des Alters der GmbH (< 4 Jahre) keine Einigung eines Sozialplans erzwingen kann, ist korrekt, ja?


Ja, denn so steht es im Gesetz.

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