Beschuldigt wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung

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Polizeiliche Vorladung wegen einer Sexualstrafttat? Was tun?

Gerade für Sexualstrafverfahren gelten 2 goldene Regeln:

 

  1. Keine Aussage gegenüber der Polizei! (auch nicht Freunden oder Dritten)
  2. Sofort einen spezialisierten Anwalt kontaktieren

 

Denn im Sexualstrafverfahren wird der Beschuldigte meist aus heiterem Himmel von der Polizei mit der vermeintlichen Tat konfrontiert (dies ist auch so beabsichtigt, um den Überrumpelungseffekt auszunutzen).

Von Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen

Bei Beschuldigten ist hier höchste Vorsicht geboten, da sie zu diesem Zeitpunkt in der Regel überhaupt nicht wissen, was ihnen konkret zur Last gelegt wird, was das Opfer ausgesagt hat und welcher Sachverhalt letztlich im Raum stehen. Nicht selten versucht die Polizei, wegen mangelnder Sachbeweise mit einer vorläufigen Festnahme oder gar der Vorführung beim Haftrichter erheblichen Druck beim Beschuldigten aufzubauen, um so zu einer schnellen Aussage und einem möglichen Geständnis zu kommen.

Und gerade deshalb ist es gerade bei den Sexualstrafverfahren auch so wichtig, dass man - schuldig oder nicht – keinerlei Aussagen gegenüber der Polizei macht! Auch wenn man der Meinung ist, unschuldig ins Visier der Ermittlungen geraten zu sein oder die polizeilichen Vorwürfe nicht mit der tatsächlichen Realität im Einklang stehen, ist es dennoch unabdingbar, von seinem gesetzlich verankerten Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Selbst dann, wenn man immer wieder Sätze hört wie „wenn man nichts zu verbergen hat, dann kann man auch aussagen“ etc...

Polizeiprotokoll ist ein Inhaltsprotokoll

Denn in der Situation einer polizeilichen Vernehmung, gepaart mit dem Tatvorwurf einer Sexualstraftat und hoher Haftstrafen, ist der Laie oft mit der überlegenen Frage- und Vernehmungstechnik der Polizei hoffnungslos überfordert. Zusätzlich fertigt die Polizei nur ein Inhaltsprotokoll und kein Wortprotokoll an. Das bedeutet, dass der Polizist das vom Beschuldigten Gesagte mit seinen eigenen Worten, in seiner eigenen Formulierung und Ausdrucksweis notiert und nicht genau so, wie es der Beschuldigte formuliert oder gesagt hat. Das wiederum führt zwangsläufig zu Fehlinterpretationen und inhaltlichen Missverständnissen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind und zur Grundlage aller weiteren Ermittlungen und einer etwaigen Verurteilung werden können!

Die Aussage als Beschuldigter zu verweigern, ist ein ureigenes strafprozessuales Recht und darf dem Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt negativ ausgelegt werden. Selbstverständlich bleibt es dem Beschuldigten natürlich auch unbenommen, zu einem späteren Zeitpunkt auszusagen, z.B. nachdem ein Anwalt Akteneinsicht genommen und ausführlich beraten hat. Aber wie oben gezeigt: niemals in vorschnellem Eifer!

Bekannte können als Zeugen gehört werden

Äußern Sie sich auch nicht gegenüber anderen Menschen (Freunde, Partner, Kollegen), denn diese Menschen könnten dann von der Polizei wiederum als Zeugen (vom Hörensagen) in Betracht kommen.  Also auch hier unbedingt keine Aussagen machen!

Man sollte sich daher schon unmittelbar nach der angezeigten Straftat sofort an einen spezialisierten Anwalt wenden – also bevor man sich überhaupt zu der Sache äußert oder gar von der Polizei kontaktiert wird – der dann den Beschuldigten von einem polizeilichen Erscheinen zur Vernehmung entschuldigt und erst einmal Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft nimmt oder einem Opfer bei der Vernehmung Rechtsbeistand leistet. Nach erfolgter Akteneinsicht bespricht der Anwalt den Akteninhalt und vor allem die Aussage des Opfers mit dem Beschuldigten. In diesem Zusammenhang hat der Beschuldigte die Möglichkeit, auf die Vorwürfe konkret Stellung zu nehmen und zusammen mit dem Anwalt etwaige Widersprüche aufzudecken, die dann ggf. der Staatsanwaltschaft in einer sog. Verteidigerschrift mitgeteilt werden. Das regelmäßige Ziel ist, eine Einstellung des Strafverfahrens zu erwirken.

Rechtsanwalt hilft bereits im Ermittlungsverfahren

Als Besonderheit gerade für das Sexualstrafrecht gilt es in diesem Zusammenhang zu wissen, dass das Ermittlungsverfahren oft – vor allem auch von Anwälten – in seiner Bedeutung unterschätzt wird. Denn wie das Hauptverfahren (also ein Gerichtsverfahren) abläuft, ausgeht und wie das Urteil ausfällt ist weitgehend vom Ermittlungsverfahren bestimmt. Im Ermittlungsverfahren werden die Weichen für ein etwaiges richtiges oder aber auch falsches Urteil gestellt, so dass Mängel, falsche Beratung und falsche Vorgehensweise im Ermittlungsverfahren in der Regel in einem gerichtlichen Hauptverfahren nicht mehr zu beseitigen sind.


Über den Autor: Rechtsanwalt Stephens ist als langjähriger Strafrechtler ausschließlich auf das Sexualstrafrecht spezialisiert.

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