Berufsunfähigkeit bei Asthma: Asthma nicht angegeben! Leistungen?

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Berufsunfähigkeit bei Brustkrebs – Arglistige Täuschung wegen verschwiegenem Asthma?

Muss bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung die Erkrankung an Asthma nicht eigens angegeben werden, wenn der Versicherte angibt, dass er von Geburt an unter Neurodermitis leidet? Gilt dies selbst dann, wenn in den letzten fünf Jahren vor Abschluss der Versicherung medizinische Behandlungen wegen Asthma notwendig wurden? Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 3. Juni 2009 (Az. 3 U 286/07) studiert. Doch Vorsicht, es kommt immer auf die Besonderheiten des Einzelfalls an!

Die Klägerin, deren Berufsunfähigkeit bei einer Erkrankung wegen Brustkrebs mehrere Monate angedauert hatte, wollte Leistungen aus einer entsprechende Versicherung in Anspruch nehmen. Die Versicherung wollte ihr den Versicherungsschutz vor Berufsunfähigkeit bei Krankheit hingegen verweigern und argumentierte, die Klägerin habe die Versicherung bei Vertragsabschluss arglistig getäuscht. Die Klägerin hatte unter anderem ein allergisches Asthma, wegen dem sie in den letzten fünf Jahren vor Vertragsabschluss behandelt worden war, bei Vertragsschluss nicht angegeben. Das Asthma hatte allerdings mit der jetzt eingetretenen Berufsunfähigkeit wegen der Erkrankung wegen Brustkrebs nichts zu tun.

Jan-Martin Weßels
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Das vorhandene Asthma betrachtete die Versicherte als Folge der Neurodermitis:

Sehr wohl hatte die Klägerin jedoch ihre Erkrankung wegen Neurodermitis, unter der sie seit ihrer Geburt leidet, bei Abschluss des Versicherungsschutzes vor Berufsunfähigkeit bei Krankheit angegeben. Berufsunfähigkeit wegen Neurodermitis wie auch Berufsunfähigkeit bei den Folgen der Neurodermitis waren daher von den Vertragspartnern von der Versicherungsleistung ausgeschlossen worden. Das Risiko einer Erkrankung wegen Neurodermitis wollte die Versicherung offenbar nicht übernehmen. Das vorhandene Asthma betrachtete die Versicherte als Folge der Neurodermitis und erwähnte es daher nicht eigens. Auch auf die Frage nach Erkrankungen der Atmungsorgane hin, gab sie das Asthma nicht an. Ihrer Meinung nach war diese Krankheit als Folge der Neurodermitis bereits vom Versicherungsschutz vor Berufsunfähigkeit bei einer Erkrankung ausgeschlossen worden.

Ihre Einschätzung wurde der Klägerin in diesem besonderen Fall nicht zum Verhängnis:

Bei der Annahme der Versicherten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts um eine fehlerhafte Zuordnung der Atemwegserkrankung in die Rubrik der Hautkrankheiten und Allergien. Diese sah das Gericht jedoch in diesem Fall als durchaus nachvollziehbar und plausibel an. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass eine Berufsunfähigkeit bei Asthma als angenommene Folge der Neurodermitis vom Versicherungsschutz bereits ausgeschlossen war. Der Versuch einer bewussten Täuschung könne der Versicherten nicht nachgewiesen werden. Der Auszug eines Artikels aus Wikipedia, den die beklagte Versicherung vorgelegt hatte, und in dem auf den möglichen Zusammenhang von allergischem Asthma und Neurodermitis hingewiesen wird, unterstütze sogar die fälschliche Annahme der Klägerin.

Das OLG Frankfurt (Zitat):

 „ Es ist zutreffend, dass die Klägerin die bei ihr vorhandene Asthma-Erkrankung unter der Frage nach Erkrankungen der Atmungsorgane (1.1) nicht angegeben hat. Ihre Auffassung, diese Asthma-Erkrankung sei eine Folge ihrer Neurodermitis-Erkrankung wird indessen durch den von der Beklagten vorgelegten Wikipedia-Auszug zur Neurodermitis (Bl. 207-210 d.A.) gestützt. Dort heißt es auf S.2 unter der Überschrift „Symptome und Beschwerden“:“Neben den Hauterscheinungen sind Heuschnupfen oder Asthma bei Patienten mit atopischen Ekzemen in einigen Fällen ebenfalls vorhanden.“ Auf S.3 heißt es unter der Überschrift „Allergien“: “Ein Großteil der Patienten mit Neurodermitis leidet zusätzlich unter Allergien... Neurodermitis für sich betrachtet wird von der wissenschaftlichen Medizin zwar von den Allergien abgegrenzt, weist aber zum Teil ähnliche Symptome wie gängige Allergien auf. Die Haut eines Neurodermitis das ist sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen... .“

Auch habe es die Versicherung, so die Richter, angesichts der Tatsache, dass die Klägerin mit ihrer Neurodermitis auf ein lebenslanges und unheilbares Leiden hingewiesen habe, versäumt, explizit nachzufragen, ob in den letzten fünf Jahren medizinische Behandlungen notwendig gewesen seien.

Das Gericht gab daher der Forderung der Klägerin statt und verurteilte die Versicherung dazu, die Leistungen wegen Berufsunfähigkeit bei Brustkrebs aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu zahlen.

Was folgt aus diesem Urteil?

Dieses Urteil zeigt sehr anschaulich, dass es auf kleinste Details des Sachverhalts bei Berufsunfähigkeit ankommen kann, die über die Zuerkennung von Leistungsansprüchen entscheiden. Gerade bei Fragen der Arglistanfechtung und des Rücktritts bei Berufsunfähigkeit kommt es auf die genaueste Auswertung von Indizien an. Daher kann man die eingangs gestellten Fragen auch nicht uneingeschränkt mit Ja beantworten! Dennoch zeigt der Fall, das in so manchem „aussichtlosen“ Fall bei Berufsunfähigkeit ordentlich Potential für den Versicherungsnehmer stecken kann!

(Quelle: Das Urteil ist erhältlich unter http://www.lareda.hessenrecht.de)

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