Beispielfall: Notwehr gegenüber unverhältnismäßiger Bedrohung durch Polizisten

4. Oktober 2015 Thema abonnieren
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)
Beispielfall: Notwehr gegenüber unverhältnismäßiger Bedrohung durch Polizisten

Ich bin Jurastudent und würde gerne den folgenden hypothetischen Fall betrachten:

Ein Fahrradfahrer wird von einer Polizeistreife (zu Fuß unterwegs) angehalten, wegen
einer vermeintlichen Ordnungswidrigkeit. Er lässt sich identifizieren mit korrekter Angabe der
Personalien und erteilt dann aber keine weiteren Auskünfte, d.h. er ignoriert weitere Fragen der Polizisten.
Die Polizisten sind aufgebracht und wollen den Radfahrer zum Revier mitnehmen, um weitere Angaben zu erzwingen. Der Radfahrer hat aber einen Termin und möchte sich nicht in weitere Gespräche mit Vertretern des Staats verstricken. Er tritt daher die Flucht an, im Wissen, dass er nicht ohne Waffengewalt gestoppt werden kann. Daraufhin zieht
einer der Polizisten eine Waffe um den Radfahrer zu stoppen. Er macht die irrige Annahme,
dass von dem Radfahrer eine Gefährdung für die Allgemeinheit ausgeht.

Für den Radfahrer ergibt sich eine Bedrohungssituation, weil er Gefahr läuft, erschossen zu werden. Er zieht daher
eine Waffe, die er rechtmäßig besitzt und erschiesst/verletzt tödlich alle Beamten der Streife, um die diversen Bedrohungssituation abzuwehren: a) die direkte Bedrohungssituation durch den Beamten, der eine Waffe auf ihn richtet und b) die indirekte Bedrohungssituation, da er annehmen muss, nun von den anderen Beamten erschossen zu werden, da sie höchstwahrscheinlich auch bewaffnet sind.

In welchen Punkten oder macht sich der Radfahrer überhaupt strafbar. Handelt er in Notwehr? Nehmen wir an, dass mehrere
Augenzeugen existieren, die die obige Beschreibung bestätigen können. Die Polizisten können natürlich keine Aussage
mehr machen.

-- Editier von alphabeta99 am 04.10.2015 13:18

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22 Antworten
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#1
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9520x hilfreich)

Zitat:
Ich bin Jurastudent:


Ich nicht ;) aber Ich sehe hier keine Notwehr. Weder ist ein Angriff gegenwärtig (ob er unmittelbar bevorstehend ist -auch wenn er davon ausgeht- ist noch die Frage, denn die Polizei hätte es ja auch bei Warnschüssen belassen können oder gar nicht schiessen) noch würde er vermutlich als rechtswidrig angesehen. Schon gar nicht kann er sich ggü. den anderen Beamten auf Notwehr berufen, weil "...er annehmen muss, nun von den anderen Beamten erschossen zu werden, da sie höchstwahrscheinlich auch bewaffnet sind." Das überstrapaziert die Notwehr bei weitem m.E.

Ansonsten könnte er auch gleich noch den nächsten Passanten erschiessen, weil er annimmt, dass dieser gleich sein sichtbar getragenes Messer zieht und ihn erstechen will um den Polizisten Hilfe zu leisten, oder -wenn sie erkennbar schon tot sind- zu rächen.

Grundsätzlich würde ich Dir aber raten, Deine Frage im Strafrechtsbereich von juraforum.de zu stellen. Dort tummeln sich eher die Theoretiker und auch viele Stud.jur. - hier sind eher die Praktiker für die "Erste Hilfe" bei kleinen oder mittlereren Alltagsstraftaten.

3x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Ich habe den Sachverhalt nun im Juraforum gestellt.

"Weder ist ein Angriff gegenwärtig (ob er unmittelbar bevorstehend ist -auch wenn er davon ausgeht- ist noch die Frage, denn die Polizei hätte es ja auch bei Warnschüssen belassen können oder gar nicht schiessen) noch würde er vermutlich als rechtswidrig angesehen"

Problematisch ist das der Radfahrer nicht einschätzen kann, ob ein Angriff bevorsteht. Ein Angriff mit einer Schusswaffe ist schnell
tödlich, wenn ein Messer gezogen würde vom Polizisten könnte er sich durch eine rasche Entfernung vom Ort in Sicherheit bringen. Das ist hier aber nicht der Fall.

"noch würde er vermutlich als rechtswidrig angesehen"

Er ist mit Sicherheit rechtswidrig, weil es unverhältnismäßig ist, einen flüchtenden Radfahrer mit einer Schusswaffe
zu bedrohen, wenn nicht die Annahme einer Gefährdung vorhanden ist. Der Radfahrer hat ja vorher kooperiert und die
Personalien angegeben und dann sein Schweigerecht verwendet.

"Ansonsten könnte er auch gleich noch den nächsten Passanten erschiessen, weil er annimmt, dass dieser gleich sein sichtbar getragenes Messer zieht und ihn erstechen will um den Polizisten Hilfe zu leisten, oder -wenn sie erkennbar schon tot sind- zu rächen."

Diese Analogie funktioniert nicht. Imho kann man bei einem Streifenpolizisten davon ausgehen, dass er bewaffnet ist. Es ist dagegen
sehr unwahrscheinlich, dass ein Passant ein Messer dabei hat. Außerdem -- warum sollte sich der Passant rächen (Selbstjustiz) oder
Erste Hilfe leisten, indem er den Radfahrer angreift.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
fb367463-2
Status:
Schlichter
(7422 Beiträge, 3090x hilfreich)

Sie schreiben doch selber, dass der Polizist die - irrige - Annahme macht, das von dem Radfahrer eine Gefährdung ausgeht.

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Hallo,

ich würde hier mal noch etwas weiter vorne einhaken:

Der Beamte wird bestimmt, bevor er seine Dienstwaffe gezogen hat, den Fahrradfahrer gewarnt haben ala "Bleiben Sie stehen oder wir weden Zwang an". Außerdem hatten die Beamten ja bereits ihre Absicht angekündigt, den Fahrradfahrer mit auf das Revier zu nehmen, was als eine Bekanntgabe der vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO anerkannt werden dürfte.
Die Rechtsmäßigkeit dieser spielt in diesem Moment eine untergeordnete Rolle, da den Anweisungen der Polizeibeamten erst einmal Folge zu leisten ist. Tritt jemand gegen Anweisung der Beamten die Flucht an oder widersetzt sich den diesen so muss derjenige von der Eskalation der Situation ausgehen und löst diese erst aus. Das wird auch das Gericht, das sich mit dem Sachverhalt beschäftigt, nicht verkennen.

Eine Straffreiheit durch Notwehr nach § 32 StGB kann auch nur erlangt werden, wenn stets das mildeste Mittel zur Hilfe genommen wird, um den gegenwärtigen Angriff zu beenden. Hier wäre auch durchaus die Argumentation möglich, dass das mildeste Mittel, um den (bevorstehenden) Angriff auf das eigene Leib und Leben gewesen wäre, den Anweisungen der Beamten zu folgen und stehen zu bleiben. Dadurch wäre die Gefahr für das eigene Leib und Leben unmittelbar abgewendet worden ohne das jemand zu Schaden kommt. Zudem hat der BGH in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass die Verwicklung in rechtstaatliche Verfahren, somit auch Strafverfahren grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Auch wenn diese Entscheidung im Detail auf mögliche Schadensersatzansprüche diesbezüglich (Bahn verpasst wegen Polizeikontrolle) eingeht ist der Leitgedanke, dass erst einmal (lebensnahen und logischen) Anweisungen durch Vertreter des Rechtsstaates zu folgen ist, obgleich die Rechtsmäßigkeit in diesem Moment fraglich ist oder sich im Nachinein als falsch heraus stellen. Dies hat dann ein Gericht zu klären.

Zudem ist auch der Verteidigungswille hier fraglich. Letztendlich möchten die Beamten nur erreichen, dass der Fahrradfahrer absteigt, seine Flucht beendet und sich der vorläufigen Festnahme fügt. Dem Fahrradfahrer wird kann nun durchaus unterstellt werden, dass er seine Waffe verwendete um seine Flucht weiter fortzusetzen und somit einen Angriffswillen hatte. Diese Agression wird auch durch das nachhaltige Widersetzen gegen die Anweisungen der Beamten untermauert.

Somit sind wir hier spätestens an einem Punkt angelangt an dem eine Rechtfertigung der Tötung der beiden Beamten nicht mehr durch Notwehr nach § 32 StGB gedeckt ist, da der Angriff zu großen Teilen selbstverschuldet herbeigeführt ist durch die (fahrlässige) Provokation durch das Widersetzen gegen die Anweisungen. Dadurch wackelt bereits die Gebotenheit als nominativer Aspekt der Notwehr. Wie bereits erwähnt, muss stets das mildeste Mittel angewendet werden um den Angriff zu beenden oder zu verhindern. Das mildeste Mittel wäre hier, den Anweisungen zu folgen. Dies wäre auch kein sog. "riskantes Mittel", da die Beamten den Fahrradfahrer lediglich mit auf die Wache nehmen möchte, was nicht gefährlich für ihn wäre. Somit scheidet auch die Erforderlichkeit als tatsächlicher Aspekt aus. Auch die Rechtswidrigkeit des vermeintlichen Angriffes des Beamten ist sehr fraglich. Der Schusswaffengebrauch oder dessen Androhung ist nämlich ein Mittel des unmittelbaren Zwanges und kann auch angewendet werden, um eine Flucht zu verhindern oder zu unterbinden. Vor allem da der Polizist seine Dienstwaffe nur gezogen hatte und noch gar nicht klar war, was er damit vorhatte (möglicherweise nur Warnschuss), kann noch nicht zwingend von einer Rechtswidrigkeit des Handelns des Beamten ausgegangen werden. Auch das krasse Missverhältnis zwischen dem drohenden "Schaden", hier das Mitkommen zur Wache und den Folgen der vermeintlichen Verteidigungshandlung, nämlich zwei tote Polizeibeamten ist nicht außer Acht zu lassen. Dies entbehrt jeglicher Verhältnismäßigkeit.

Unter Abwägung all dieser Aspekte ist hier eine Rechtfertigung über Notwehr nach § 32 StGB nicht tragbar. Selbst wenn fiktiv angenommen hier grundsätzlich eine Notwehrsituation objektiv vorliegen würde, hätte der Fahrradfahrer defintiv die Grenzen dieser überschritten und könnte sich auch nicht auf die Straffreiheit bei Überschreitung der Notwehr nach § 33 StGB stützen. Es würde sich um einen intensiven Notwehrexzess handeln, welcher strafbar wäre.

Die (präventive) Tötung des zweiten Beamten ist keinesfalls mehr durch die Notwehr gedeckt, da die Verteitigung im Rahmen der Notwehr sich grundsätzlich nur gegen Rechtsgüter des Angreifers selbst richten und nicht die Rechtsgüter Dritter beeinträchtigen darf.


Nun zur Strafbarkeit:

Zwei Beamte vorsätzlich zu töten, nur weil man nicht mit aus das Polizeirevier kommen wollte, weil man einen Termin hatte, würde man wahrscheinlich als niedrigen Beweggrund ansehen. Auch wenn hier ein Motivbündel vorliegen mag, ist hier wohl das vorherrschende Motiv, nicht mit aus das Polizeirevier kommen zu wollen. Dies zieht eine Strafbarkeit wegen des Mordes nach § 211 StGB in zwei tatmehrheitlichen Fällen nach sich. Möglicherweise kann man mit einem findigen Verteidiger und etwas Glück zu einem Totschlag nach § 212 StGB kommen, wenn man dem Gericht Zweifel hinsichtlich der Motivlage einimpfen kann.

Auch bei der Gesamtbetrachtung und -bewertung des Sachverhalts kommt man (hoffentlich) zum Ergebnis, dass es nicht mit den Werten und Normen unserer Gesellschaft vereinbar ist, dass zwei Polizeibeamten getötet werden, nur weil sie einen anderen Menschen, der möglicherweise gegen einen dieser Normen verstoßen hat, in Ausübung ihres Amtes mit auf eine Polizeiwache nehmen wollten. Einen Menschen zu töten oder zu verletzen muss immer das letzte Mittel sein und unsere Gesellschaft ist von dem Grundgedanken geleitet, dass man nicht "präventiv" Menschen töten oder verletzen kann, nur weil von diesen möglicherweise, auch wenn es naheliegend ist, eine Gefahr für einen selbst ausgehen könnte. Bis zu einer gewissen Grenze müssen wir diese "Dauergefahr", die von unseren Mitmenschen ausgeht, im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos tolerieren. Die strafbefreiende Notwehr ist in Deutschland bewusst sehr eng ausgelegt und insbesondere das Töten von Menschen ist in diesem Bezug nur in Härtefällen und/oder bei besonderen Umständen rechtsmäßig.
Ein "stand your ground"-Recht wie in den Teilen der USA, was die Anwendung von tödlicher Gewalt auch wegen Bagatelldelikten rechtfertigt, ist in Deutschland bewusst nicht gewünscht.



Diskussionen, Kritik und Anregungen gewünscht. ;)


Grüße
PP


PS:

Zitat:
hier sind eher die Praktiker für die "Erste Hilfe" bei kleinen oder mittlereren Alltagsstraftaten.


Btw: Streetworker, was war eigentlich der "dickste Hund" hier in letzen Zeit? ;) Meinte mal etwas von schwerer räuberischer Erpressung gelesen zu haben...

-- Editiert von PP9325 am 05.10.2015 00:27

2x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9520x hilfreich)

Zitat:
was war eigentlich der "dickste Hund" hier in letzen Zeit? ;) Meinte mal etwas von schwerer räuberischer Erpressung gelesen zu haben...


Ja, das mag sein. BTM in nicht geringer Menge haben wir ja auch öfter ... immerhin ein Verbrechenstatbestand. ;)

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

Auch wenn ich im Grundsatz den Ausführungen zustimme, dem kann ich nicht folgen:

Zitat (von PP9325):
Eine Straffreiheit durch Notwehr nach § 32 StGB kann auch nur erlangt werden, wenn stets das mildeste Mittel zur Hilfe genommen wird, um den gegenwärtigen Angriff zu beenden.

Im Falle einer akuten Bedrohung des eigenen Lebens, die beim Ziehen einer Waffe durch das Gegenüber sicher gegeben ist, muss man nicht lange überlegen, wie man nun die Bedrohung am mildesten abwenden kann. Man darf sich den zur Verfügung stehenden Mitteln bedienen. Sicher, man kann nicht einfach komplett übertreiben und jemandem der einen festhält mit einer Machete den Kopf abschlagen. Bei der Bedrohung mit einer Schusswaffe dürften aber nur wenige Abwehrmaßnahmen überzogen sein.

Zitat (von PP9325):
Hier wäre auch durchaus die Argumentation möglich, dass das mildeste Mittel, um den (bevorstehenden) Angriff auf das eigene Leib und Leben gewesen wäre, den Anweisungen der Beamten zu folgen und stehen zu bleiben.

Das Recht muss sich dem Unrecht nicht beugen. Wenn der Angriff rechtswidrig ist, dann muss ich diesen nicht dadurch beenden, dass ich den Forderungen des Angreifers nachgebe.

Der Knackpunkt ist hier aber schlichtweg, dass der Angriff nicht rechtswidrig war. Und somit kann auch keine Notwehr vorliegen.

-- Editiert von JogyB am 05.10.2015 10:18

2x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9520x hilfreich)

...und hinsichtlich des vorbeugend gleich mal mit umgeschossenen Kollegen liegt nicht mal ein Angriff vor. ..

1x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
JenAn
Status:
Student
(2517 Beiträge, 2552x hilfreich)

Zitat:
Der Knackpunkt ist hier aber schlichtweg, dass der Angriff nicht rechtswidrig war. Und somit kann auch keine Notwehr vorliegen.


Man könnte vielleicht noch diskutieren, ob ein Tatbestandsirrtum vorlag. Dafür wird man aber einen anderen Fall konstruieren müssen, denn der mit einer Schußwaffe umherfahrende Radler, der irrig annahm, die Polizei wollte ihn grundlos erschießen, ist wohl ein wenig zu speziell als daß ein Gericht in der Praxis demjenigen so weite Freiheit einräumen wollte.

Ich erinnere mich, daß eine ähnliche Situation mal Thema einer "Picket Fences"-Episode war. Wenn ich mich nicht irre, ging es um den Fall eines Kriminellen, der grundlos verhaftet werden sollte und der fürchtete, weil er eine Schußwaffe dabei hatte, würde er sofort erschossen werden; daher meinte er, er sei dazu berechtigt, den Polizisten quasi in Vorab-Notwehr zu erschießen. War ein sehr interessanter Fall (die genauen Details kenne ich nicht, aber es war jedenfalls eine diskutable Frage).

1x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
Albarion
Status:
Lehrling
(1718 Beiträge, 690x hilfreich)

Meine Gedanken kreisen eher um den (Putativ)Notwehrexzess.

Das hier keine Notwehr vorliegt erschliesst sich nachdem was hier zugetragen wurde verständlichlicherweise.
Nun könnte man aber davon ausgehen, dass der Radfahrer im Irr(Glauben) war, sich in einer Lage zu befinden, die sein (exzessives) Handeln gerechtfertigten würde, weil er ja Gefahr für sein Leib und Leben fürchten musste und zu dem Zeitpunkt vermutlich nicht klar darüber urteilen konnte, in wie weit sein Handeln "gerechtfertigt" war.

Was die Richter nachher daraus machen, ist schwer vorher zu sagen.

1x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Hallo,

Zitat:
Meine Gedanken kreisen eher um den (Putativ)Notwehrexzess.


Zitat:
Das hier keine Notwehr vorliegt erschliesst sich nachdem was hier zugetragen wurde verständlichlicherweise.


Das ist ein Widerspruch in sich. Ohne dem Vorliegen einer Notwehrsitation nach § 32 StGB kann auch kein herkömmlicher Notwehrexzess nach § 33 StGB stattfinden.

Die Putativnotwehr und ein eventueller Exzess derer würde hier einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB voraussetzen und würde den Täter entschuldigen, sofern der Irrtum unvermeidbar war. Der Irrtum im hier vorliegenden Fall wäre jedoch vermeidbar gewesen, da von jemanden, der befugt ist, eine Waffe zu besitzen und insbesondere zu führen, speziell wenn diese zu Verteidigungs- bzw. Selbstschutzzwecken geführt wird, erwarten kann, dass sich dieser mit den einschlägigen Vorschriften bekannt gemacht hat und exakt weiß, in welchen Situationen und unter welchem Umständen er seine Waffe einsetzen darf. Es kann dem Täter hier durchaus auch unterstellt werden, dass er bei dem Einsatz seiner Waffe gegen zwei Polizeibeamten, die eine vorläufige Festnahme vollziehen mochten, Zweifel an der Rechtsmäßigkeit seines Tuns gehabt haben muss oder zumindest haben hätte müssen auf Grund seiner Lebenserfahrung.
Auch kann im gegenwärtigen Moment davon ausgangen werden, dass, wenn Polizeibeamten Anweisungen geben und diese nicht absolut lebensfremd sind, dass diese den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechen.


Zitat:
Das Recht muss sich dem Unrecht nicht beugen. Wenn der Angriff rechtswidrig ist, dann muss ich diesen nicht dadurch beenden, dass ich den Forderungen des Angreifers nachgebe.


Das ist absolut richtig und ich stimme Ihnen absolut zu. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Angriff rechtswidrig war, bleibt immer noch das krasse Missverhältnis des zu verteidigenden Rechtsgutes und den Folgen der Verteidigungshandlung. Grundsätzlich wird ja keine Abwägung der Rechtsgüter bei der rechtlichen Beurteilung der möglichen Notwehrsituation durchgeführt, außer es liegt ein krasses Missverhältnis vor, was ich hier zu erkennen vermag, da hier ein Aufenthalt auf der Polizeiwache (temporärer Freiheitsentzug) dem Tod von zwei Menschen gegenüber steht.




-- Editiert von PP9325 am 05.10.2015 22:56

1x Hilfreiche Antwort

#11
 Von 
JogyB
Status:
Bachelor
(3155 Beiträge, 3146x hilfreich)

Zitat:
Grundsätzlich wird ja keine Abwägung der Rechtsgüter bei der rechtlichen Beurteilung der möglichen Notwehrsituation durchgeführt, außer es liegt ein krasses Missverhältnis vor, was ich hier zu erkennen vermag, da hier ein Aufenthalt auf der Polizeiwache (temporärer Freiheitsentzug) dem Tod von zwei Menschen gegenüber steht.

Sorry, aber die Argumentation ist aus meiner Sicht grundlegend falsch. Die Abwägung ist hier nicht zwischen dem Aufenthalt auf der Polizeiwache und der Tötung des Polizisten, sondern zwischen der Bedrohung mit einer Schusswaffe und der Tötung des Polizisten (Anm.: den zweiten Polizisten lasse ich jetzt mal außen vor).

Dann dürfte man sich ja gegen einen Überfall, bei dem 2€ gefordert, niemals verteidigen, selbst wenn man mit einer Waffe bedroht wird. Sorry, aber das ist doch Unsinn.

1x Hilfreiche Antwort

#12
 Von 
JenAn
Status:
Student
(2517 Beiträge, 2552x hilfreich)

Das Hauptproblem bei der Putativnotwehr ist, daß nachvollziehbar irrig ein rechtswidriger Angriff angenommen werden muß.
Würde man aber zugestehen, daß "Polizist zieht Waffe" als rechtswidriger Angriff (und zwar nicht wegen "ich habe doch nichts getan, das eine Verhaftung rechtfertigt", sondern wegen "ich dachte, der wollte mich ermorden") angesehen wird, käme man per reductio ad absurdum zu dieser Argumentation: "Wenn der Polizist sieht, daß ich eine Waffe habe, wird er seine Waffe ziehen und mich womöglich erschießen, also darf ich ihn jetzt direkt erschießen, um mein Leben zu retten."

1x Hilfreiche Antwort

#13
 Von 
Yogi1
Status:
Student
(2030 Beiträge, 934x hilfreich)

Müssen sich Jurastudenten wirklich mit solchen Fragen abmühen und da noch sinnvoll begründen?
Ich weiß, warum ich nicht Jura studiert habe, sondern Philosophie. Da weiß man vorher, dass alles ******** ist*g*

Wie bitte erschießt der Radfahrer denn die Beamten? Ich mein, ist der Mission-Impossible-tauglich und erschießt dann im Fahren nach hinten die Beamten? Wie sieht er überhaupt, dass man die Waffe auf ihn richtet? Ich dachte, der flüchtet auf dem Rad.

War den Polizisten klar, dass er eine Schusswaffe bei sich trägt? Oder warum zogen die die Waffe?

Ich unterstelle mal, dass Polizisten wissen, was sie tun. Das wär lustig, wenn jeder bewaffnete Schwerverbrecher die einfach abknallen könnte und sich auf Notwehr berufen.

Ist das echt ne Aufgabe für die Uni? Dann würde ich die Bearbeitung ablehnen mit Hinweis auf mangelnde Realtitätsnähe. Du willst ja schließlich Jurist werden und nicht Regisseur für B-Movies.

Den Radfahrer, der aus der Fahrt heraus zwei Polizisten erschießt, den möchte ich echt gern sehen.

1x Hilfreiche Antwort

#14
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Klasse. Ich bin begeistert, ich hatte mich diesem Thread schon abgewendet, weil gestern gesagt wurde, dass
sich dieses Forum nur mit realen Fällen beschäftigt. Während im Jura-Forum zunächst einmal abwertende Kommentare gegenüber
dem Fragesteller gepostet wurden, wird hier sehr fachkundig argumentiert :) Dieser Thread entwickelt sich 1000 mal besser als sein Pendant, so viel steht jetzt schon fest.

Zu den berechtigten Einwänden:

(a) Der Radfahrer kann nicht vom Fahrrad aus eine Streife erschießen.
-> Im Affekt schon wenn er sich kurz nach Fahrtbeginn umdreht und sieht das bei einem Polizisten die Sicherung durchbrennen
und er den Radfahrer mit Schusswaffengebrauch stoppen will. Dann bekommt er es mit der Angst zu tun und erschießt
präventiv alle Streifenbeamten. Den ersten Polizisten kann er nur mit Glück treffen und bei den nächsten 2 hat er einen Zeitvorsprung.
In Alternativsituationen könnten diese auch sofort die Waffe ziehen und dann neue Bedrohungen für den Radfahrer begründen. Dann
wäre die Situation nur realistisch, wenn der Radfahrer besondere Fertigkeiten im Umgang mit der Schusswaffe hat.

(b) Es wäre auch eine Alternativsituation denkbar. Nicht der Radfahrer zieht die Waffe sondern ein Passant, der den Radfahrer
vor dem "wildgewordenen" Polizisten (auch ein Warnschuss des Polizisten ist denkbar, wonach die Gefährdung des Radfahrers noch gegenwärtiger wird) schützen will.

Denn StGB P32 besagt u.a.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Der Passant versucht also den (in seinen Augen) Angriff vom Radfahrer abzuwenden.



-- Editiert von alphabeta99 am 06.10.2015 19:07

0x Hilfreiche Antwort

#15
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Meine Argumentation zugunsten Notwehr wäre zunächst die folgende: Das bloße Ziehen einer Schusswaffe bei der Flucht vor der Behandlung einer Ordnungswidrigkeit ist eine grobe Unverhältnismäßigkeit, insbesondere wenn dem Radfahrer nicht der Grund mitgeteilt wurde (ist er evtl. eines Verbrechens beschuldigt). Ab dem Ziehen der Schusswaffe und nach evtl. Warnschuß setzt eine pure Affekttat ein. Der Radfahrer fürchtet sich, weil er nicht mit der Androhung von Gewalt gerechnet hat. Er hat die Optionen (die er auch im Affekt nicht korrekt überblicken kann) dass er (a) die Flucht beendet was sinnvoll ist, wenn die Polizisten nur die Flucht beenden wollen oder (b) sich schnellstmöglich verteidigt weil er nicht überblicken kann, ob bei einem Polizisten nicht wirklich die Sicherung durchgebrannt sind und er evtl. der akuten Gefahr unterliegt, erschossen zu werden. Es ist zu bedenken, dass nach einem Warnschuss jede falsche Bewegung tödlich sein kann. Die Abwägung zwischen dem verpassten Termin und dem Tod 2 Polizisten ist nicht mehr relevant und liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine Abwägung, ob er evtl. erschossen werden möchte oder sich mit seiner eigenen Schusswaffe verteidigt.


-- Editiert von alphabeta99 am 06.10.2015 19:29

0x Hilfreiche Antwort

#16
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Und nun eine Frage für die Philosophen: (Ich habe über den Modellfall nachgedacht, und festgestellt, dass
er nur deswegen eskaliert, weil der Beamte eine Schusswaffe zieht)

Ist es legitim, dass ein Polizist die Schusswaffe zieht, wenn nicht (a) eine akute Gefährdung von Leib
und Leben des Polizisten oder einer anderen Person vorliegt oder (b) die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Person in Kürze eine Straftat verübt, die Gefahr von Leib und Leben von Dritten nach sich zieht?

Was sind die Implikationen, wenn man die Frage mit JA oder NEIN beantwortet?

0x Hilfreiche Antwort

#17
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Hallo,

Zitat:
(Ich habe über den Modellfall nachgedacht, und festgestellt, dass er nur deswegen eskaliert, weil der Beamte eine Schusswaffe zieht)


Auch wenn ich nicht zu den Philosophen zähle, kann man nicht verkennen, dass er ja diese Eskalation selbst mitverschuldet, indem er sich vehement der vorläufigen Festnahme entzogen und sich den Anweisungen der Beamten widersetzt hat. Somit hat er mindestens mit einer fahrlässigen Provokation beigetragen.

Das wäre dasselbe, wenn, nehmen wir mal Person A eine andere Person B so lange provoziert, bis Person B Person A angreift, Person A dann ein Messer zückt, Person B dann ersticht und sich dann auf Notwehr beruft. Obgleich Person A sich objektiv auf Notwehr berufen könnte, läge eine fahrlässige oder gar eine absichtliche Provokation vor, die die Gebotenheit der Notwehr entfallen lassen würde und damit auch den herkömmlichen Entschuldigungsgrund. Somit hätte sich Person A strafbar gemacht.

Zur möglichen Güterabwägung:
Opa O ist Rollstuhlfahrer und beobachtet, wie zwei Jugendliche (im strafmündigen Alter und schulfähig) Kirschen von seinem Baum stehlen. Opa O ist rechtsmäßig im Besitz einer waffenrechtlich erlaubten Schrotflinte. Er lädt sein Schießeisen durch und gibt mehrere Warnschüsse ab, um die Jugendlichen zu vetreiben. Diese lassen sich jedoch durch die Warnschüsse nicht vertreiben. Schließlich gibt O gezielte Schüsse auf die Jugendlichen ab.

Hier liegen objektiv wieder alle Voraussetzungen für eine Entschuldigung im Rahmen der Notwehr vor, doch scheitert diese wieder an der Gebotenheit bzw. an dem krassen Missverhältnis zwischen Verteidigungshandlung und dem zu verteidigendem Rechtsgut.
Eine Güterabwägung findet bei dem offensichtlichen Vorliegen eines krassen Missverhältnisses und Fällen der völligen Disproportionalität sehr wohl im Rahmen der Rechtsmissbrauchsprüfung statt.


Zitat:
Ist es legitim, dass ein Polizist die Schusswaffe zieht, wenn nicht (a) eine akute Gefährdung von Leib
und Leben des Polizisten oder einer anderen Person vorliegt oder (b) die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Person in Kürze eine Straftat verübt, die Gefahr von Leib und Leben von Dritten nach sich zieht?


Ja, ist es. Es ist zwischen dem Schusswaffengebrauch und dem Schusswaffeneinsatz zu unterscheiden. Beim Schusswaffengebraucht, der sehr genau hauptsächlich im § 54 PolG geregelt ist, erfolgt tasächlich eine Schussabgabe auf einen Menschen.
Der Schusswaffeneinsatz, der nicht detailiert gesetzlich geregelt ist, bezeichnet jegliche Handlung, bevor der Beamte von der Waffe Gebrauch macht, also bevor er einen Schuss abgibt. Zum Schusswaffeneinsatz gehört auch das verwenden der Dienstwaffe als Druckmittel im Rahmen des unmittelbaren Zwangs. Da hier bewusst keine näheren rechtlichen Normen vorhanden sind, um den Polizeibeamten rechtliche Sicherheit zu geben, liegt es in der pflichtbewussten Entscheidungsfreiheit seine Waffe einzusetzen.
Das bedeutet, eine Waffe als Druckmittel des unmittelbaren Zwangs, insbesondere beim Vollzug einer vorläufigen Festnahme einzusetzen ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Lediglich der Gebrauch der Schusswaffe wäre zu beanstanden.

Das bedeutet auf unseren Beispielfall übersetzt, dass der Polizeibeamte in seinem Verhalten nicht zu beanstanden war.


Langsam dreht sich die Diskussion im Kreis. Ich würde Ihnen als Jurastudent einfach raten, ein Prüfschema mit dem Sachverhalt aufzubauen, ein wenig in den BGH-Entscheidungen zu wühlen, hier insbesondere was die Gebotenheit von Notwehr angeht und dann werden Sie hoffentlich auch eine Entschuldigung im Rahmen der Notwehr im hier vorliegenden Fall verneinen.

Es ist alles eine Frage der Kausalität. ;)

Am Anfang dachte ich ja noch, dass es sich vielleicht um einen Sachverhalt aus einer Hausarbeit handelt, aber für eine solch unkonkreten und übertrieben lebensfremden Sachverhalt hätte ich meinen Prof. ernsthaft in Frage gestellt.


Grüße
PP

-- Editiert von PP9325 am 06.10.2015 23:40

1x Hilfreiche Antwort

#18
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Ob eine Notwehrprovokation vorliegt ist fraglich, mit Sicherheit liegt keine absichtliche Notwehrprovokation vor, da
der Radfahrer flieht, um den Termin wahrzunehmen und nicht um einen Vorwand zu haben, mehrere Polizisten zu verletzen.

Um zu beurteilen, ob eine sogenannte schuldhafte Notwehrprovokation vorliegt, kann man einen Entscheid des 5. Senats des BGH heranziehen, der enthält:

"Eine schuldhafte Provokation kann demnach zur Einschränkung des Notwehrrechts führen, wenn bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint. " [BGH 5 StR 141/09 , Beschluss vom 25.07.2009 = HRRS 2009 Nr. 700 ]
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/10-02/index.php?sz=10

Der Angriff des Polizisten mit der Schusswaffe ist aber keine adäquate und vorraussehbare Folge einer Flucht vor der Befragung über eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr.

0x Hilfreiche Antwort

#19
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Guten Abend,

nunja, trotz allem hätte der Radfahrer ja davon ausgehen müssen, dass die Beamten ihn nicht so einfach gehen lassen, wenn er versucht, sich der vorläufigen Festnahme zu entziehen und auch notfalls unmittelbaren Zwang, der nun mal bis hin zum Schusswaffeneinsatz (nicht -gebrauch) im Ermessen des Beamten liegt.

Da bei der Adäquanztehorie das optimale Erfahrungswissen zu Grunde gelegt wird und dieser Maßstab hier sogar verschärft angelegt wird, da der Fahradfahrer selbst Waffenträger ist und von ihm in diesem Gebiet zusätzliches Wissen abverlangt werden kann, so kann man ihm durchaus unterstellen, dass er davon ausgehen konnte, dass die Polizisten ebenfalls Waffen tragen und diese entsprechend einsetzen dürfen.

Zu allen anderen Punkten habe ich mich bereits schon ausführlich geäußert.

Jedoch möchte ich an diesem Punkt etwas allgemein zu der Diskussion erwähnen:

Ohne einen enorm detaillierten Sachverhalt ist es auch nicht möglich, noch weiter ins Detail in der Bewertung zu gehen. Nicht umsonst sind die klassischen Studienfälle nicht selten mehrere Seiten lang, da besonders bei solch komplizierten Sachverhalten der Teufel absolut im Detail liegt.
Ein Sachverhalt, auch nachgebessert wie ein paar Beiträge weiter oben gibt einfach noch nicht genug her um eine lückenlose rechtliche Bewertung durchführen zu können.
Es reicht bspw. schon ein Satz eines Beamten wie z.B. "Stop! Sie sind festgenommen. Bleiben Sie nun endlich stehen oder ich werde meine Waffe ziehen" oder eine Beschreibung an welchen Punkten der Fahrradfahrer festgemacht hat, dass bei dem Beamten alle Sicherungen am Durchbrennen sind aus, um den Sachverhalt dramatisch zu verändern.
Solche vermeintliche Kleinigkeiten können die ganze rechtliche Bewertung kippen.

Daher ist jegliche noch tiefgehendere Bewertung faktisch nicht möglich und basiert nur noch mehr auf bloßen Spekulationen, als sowieso schon und machen eine sichere Bewertung anhand von Fakten, auf die sich Argumente stützen können, unmöglich.


Aber es freut mich auch, dass wir Ihnen ein paar Denkansätze geben konnten und so viele Meinungen zu dem Sachverhalt geäußert wurden.


Grüße
PP

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#20
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Ich stimme zu, vielen Dank für alle Beiträge! Ich werde den Thread damit informell schließen. Wenn noch
weitere Meinungen/Bewertungen vorliegen, würde ich mich natürlich auch über diese freuen.

0x Hilfreiche Antwort

#21
 Von 
guest-12331.10.2017 22:18:45
Status:
Praktikant
(696 Beiträge, 309x hilfreich)

Zitat (von alphabeta99):
Er lässt sich identifizieren mit korrekter Angabe der
Personalien und erteilt dann aber keine weiteren Auskünfte, d.h. er ignoriert weitere Fragen der Polizisten.
Die Polizisten sind aufgebracht und wollen den Radfahrer zum Revier mitnehmen, um weitere Angaben zu erzwingen. Der Radfahrer hat aber einen Termin und möchte sich nicht in weitere Gespräche mit Vertretern des Staats verstricken. Er tritt daher die Flucht an, im Wissen, dass er nicht ohne Waffengewalt gestoppt werden kann.


Ich möchte nur hier mal einsteigen:

Bei einer Ordungswidrigkeit und festgestellten korrekten Personalien ist normalerweise die pol. Maßnahme IDF beendet, (siehe 163b Stpo (auch für OWIS))
Manchmal kann noch eine Unterschrift geleistet werden, "Zugeben der OWI", kann er natürlich verweigern, aber dann ist auch Schluss.

Weitere Fragen muss er überhaupt nicht beantworten, der Radfahrer kann Tschüss sagen und gehen, die Identität steht fest. Die OWI kann an die entsprechende zuständige Behörde weitergeleitet werden.
In dem Zusammenhang finde ich den Begriff "Flucht" etwas verwirrend, da er subjektiv auf eine gewisse "Schuld" an der Beendigung der Fragen der Polizisten hindeutet.

Nun denn, er flüchtet also. Kann er auch. Darf er auch. Das zwanghafte Mitnehmen zur Dienststelle könnte außerhalb möglicher dienstrechtlicher Verstöße zudem ein paar Straftaten im Amt darstellen.

Der Polizist zieht nun eine Waffe, in einer irrigen Annahme der "Gef. für die Allgemeinheit". Nun müssen wir im unmittelbaren Zwanggesetz oder im PolG nachschauen: Formvorschrift Androhung des unm. Zwanges beachten, gem. §64 (1) PolG NRW steht dem Polizist hierbei keine Eingriffsbefugnis für das Vorgehen zu. - Darunter fallen Vergehen (mit Schusswaffen zB)/Verbrechen), eine gegenwärtige Gefahr für Leib/Leben kann ich hier absolut nicht erkennen.

B: Notwehrrechte/Nothilfe gem. §32 ff StGB (-)

Die irrige Annahme ist dem Polizisten zuzurechnen.

Daraus ergibt sich zunächst für den Radfahrer Notwehrrechte, da er eine gegenwärtige Gefahr von sich abwehren muss, hier die Bedrohung mit Schusswaffe durch den Polizisten. Er kann davon ausgehen, dass er angeschossen wird, wenn er weiter "flüchtet".

Nun ergibt die Beispielsituation den äußerst geringen Fall eines rechtmäßigen Waffenträgers (Führen von Waffen außerhalb "Haus/Geschäftsräume/Schießstätten erfordert einen "Waffenschein". WaffG)
Um die Verhältnismäßigkeit auch hier zu wahren, befinde ich die "Waffengleichheit" für erforderlich, angemessen und geeignet, auch wenns erstmal "********" klingt.

Das Ermittlungsverfahren wird laufen, Notwehrrechte muss das Gericht prüfen.
Mindestens gegen den einen Polizisten war die Notwehr angebracht (Auffangparagrahen 34ff beachten), die darauffolgende Überschreitung (evt. Exzess) ist meiner Meinung nach nicht mehr gerechtfertigt, zu Prüfen wäre hier, ob aus Sicht des Radfahrers der 2. Polizist ebenfalls zur Waffe greifen könnte und ob die Angst davor ihm zur Entlastung dienen könnte.

Zusammengefasst: Radfahrer hat Notwehrrechte mindestens ggü. dem waffeziehenden Polizisten. Bei dem zweiten könnte der Exzess zu weit gegangen sein, sicher bin ich mir nicht, jedenfalls spannende Situation.
Entweder Exzess (+) oder eben Ermittlungsverfahren wegen Totschlag.

Bin auf weitere Meinungen gespannt

2x Hilfreiche Antwort

#22
 Von 
alphabeta99
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

>> In dem Zusammenhang finde ich den Begriff "Flucht" etwas verwirrend, da er subjektiv auf eine gewisse "Schuld" an der
>> Beendigung der Fragen der Polizisten hindeutet.

Der Begriff Flucht soll nicht implizieren, dass er sich einer Maßnahme entzieht, sondern lediglich, dass er einer Anordnung wie "Kommen sie mit aufs Revier!!" entzieht, weil er lieber an dem Termin wahrnimmt und sich nicht weiter verwickeln will. (Z.b. weil er erwartet, dass er die Polizisten auf den Weg aufs Revier impulshaft wegen seines Ärgers beleidigt und somit weitere Strafverfolgung nach sich zieht usw.). Also Flucht im Sinn Wegrennen als Reaktion auf eine unzumutbare Situation oder subjektive Gefahr.

-- Editiert von alphabeta99 am 10.10.2015 17:00

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