BGH: Keine Mietminderung wegen vorübergehender Erhöhung des Verkehrslärms

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Ein vorübergehender Anstieg von Verkehrslärm rechtfertigt grundsätzlich keine Mietminderung. Eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über die Wohnung ist nur ausnahmsweise anzunehmen.

In einem neueren Urteil (Az.: VIII ZR 152/12) hat der BGH festgestellt, die vorübergehende Erhöhung von Verkehrslärm ist vom Mieter immer dann hinzunehmen, wenn sich der Lärmpegel innerhalb noch zumutbarer Grenzen hält. Eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung der Wohnung könne des Weiteren nur dann angenommen werden, wenn es eine explizite Vereinbarung gibt. Ferner der Vermieter „erkennt oder erkennen musste, dass der Mieter die vorhandene geringe Lärmbelastung als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ansieht […] und darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert".

Darf man eigenmächtig wegen Anstiegs von Verkehrslärm die Miete mindern?

Im vorliegenden Fall hatte der Mieter einer Wohnung in der Berliner Innenstadt eigenmächtig die Miete wegen eines Anstiegs des Verkehrslärms gemindert. Der erhöhte Lärmpegel war die Folge zahlreicher Straßenbauarbeiten in der Stadt. Diese führten zu einer Umleitung des Verkehrs in die Straße des betroffenen Mieters. Der Vermieter hatte daraufhin den Mieter verklagt. Das Amtsgericht hatte seiner Klage noch stattgegeben, das Landgericht das Urteil teilweise wieder aufgehoben und eine geringe Mietminderung für zulässig erachtet.

Der BGH stellt in seinem Urteil jedoch fest, es gäbe keine Anhaltspunkte für eine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung. Auch nicht dahingehend, die Anmietung der Wohnung durch den Mieter erfolgte nur, da er die verhältnismäßig geringe Belastung durch den Verkehrslärm als vorteilhaft wahrgenommen hätte. Hierfür wäre mindestens eine stillschweigende Vereinbarung unter den o.g. Voraussetzungen notwendig gewesen.

Interessenabwägung zugunsten des Vermieters ohne konkrete Kriterien

Wer eine Mietwohnung innerhalb einer Großstadt bezieht, muss einen Anstieg des Verkehrslärms im Zweifel hinnehmen. Der BGH hatte im vorliegenden Fall den Anstieg des Verkehrslärms als nicht gravierend bezeichnet. Ausweislich des Mietspiegels sei keine Einschränkung hinsichtlich des Nutzungswertes der Wohnung zu verzeichnen. Diese Feststellung führte zu einer Abwägung der gegenläufigen Interessen der beiden Parteien zum vermieterfreundlichen Urteil. Leider hat es der BGH versäumt, hier konkrete Kriterien aufzustellen, ab wann ein Anstieg des Verkehrslärms vom Mieter nicht mehr hingenommen werden muss. Der Verweis auf den Mietspiegel taugt hierfür nur sehr eingeschränkt. Der Mietspiegel kann meist gar nicht zeitnah auf Veränderungen, auch nicht auf dauerhafte Veränderungen, in der Wohnumgebung reagieren. Dies hängt damit zusammen, dass ein Mietspiegel meist nur in unregelmäßigen Abständen herausgegeben wird.

Außerdem stellt sich nach wie vor die Frage, was der BGH mit der „vorübergehenden" Belastung meint. Wie lange hat ein Mieter die Lärmbelästigung hinzunehmen, bevor er die Miete mindern darf? Die Vorinstanzen hatten noch geurteilt, dass zumindest ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärmbelastung eine Minderung zulässig sei. Dies hatte der BGH ohne nähere Begründung kassiert. Hierbei muss jedoch klar gesagt werden, eine tatsächlich nur kurzfristige Beeinträchtigung kann schon aufgrund von Treu und Glauben wohl kein Minderungsrecht des Mieters auslösen. In einer dynamischen Großstadt wie Berlin muss immer mit Änderungen der Verkehrsführung aufgrund von Baumaßnahmen gerechnet werden.

Lärm ist nicht gleich Lärm

Unbeantwortet gelassen hat der BGH auch die Frage, welche Form von Lärm vorliegen muss, um eine Einschränkung des Nutzungswertes anzunehmen. Wer in der Nähe eines großen Flughafens, wie z.B. dem Frankfurter Flughafen oder dem berühmt berüchtigten Berliner „Willy-Brandt-Flughafen" (BER) wohnt, kennt den Unterschied zwischen „normalen Verkehrslärm" und Fluglärm, der von einem Flugzeug beim Überflug über die eigene Wohnung verursacht wird. Auch hier könnte es theoretisch nur eine vorübergehende Belastung (z.B. bei Änderungen der Flugrouten) geben, auf die der Mieter dann nicht angemessen reagieren kann.

Vorbehaltlose Anmietung ist nicht empfehlenswert

Der Mieter sollte vor der Anmietung zumindest eindrücklich darauf hinweisen, er möchte die Wohnung wegen der verminderten Lärmbelästigung anmieten. Dies ist eine Folge der vom BGH aufgestellten Kriterien für die Annahme eine Beschaffenheitsvereinbarung. Hier dürfte jedoch weit mehr als ein bloßer Hinweis auf die ruhige Lage der Wohnung erforderlich sein. Leider hat auch der BGH nicht ausgeführt, wie eine zustimmende Reaktion des Vermieters denn auszusehen hat, damit die genannte Vereinbarung abgeschlossen wird. Auf der sicheren Seite wäre der Mieter zumindest dann, wenn im Mietvertrag die verkehrsberuhigte Lage explizit als Eigenschaft der Wohnung erwähnt wird.

Auswirkungen des Urteil für Mieter

Die Praxis zeigt jedoch, schon aufgrund der derzeitigen Wohnungsmarktlage in den Großstädten, wird sich der Vermieter auf so eine schriftliche Vereinbarung wahrscheinlich nicht einlassen. Zumal dieser bei den meisten Besichtigungen, vor allem in begehrten Innenstadtlagen, eher nicht persönlich anwesend sein, sondern sich wohl durch einen Makler vertreten lassen wird. Eine Vereinbarung mit dem Makler ist jedoch aufgrund der Rechtsprechung des BGH gerade nicht ausreichend. Dadurch erfüllen zukünftig wohl ausschließlich die Mieter, die vom BGH aufgestellten Anforderungen an eine Beschaffenheitsvereinbarung, welche in besten Wohnlagen anmieten können, nicht auf eine Wohnung angewiesen sind oder entsprechende Auswahlmöglichkeiten haben. Für den „Otto-Normal-Mieter" dürfte sich die Rechtsprechung des BGH jedoch nachteilig auswirken.

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