BAG: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann schon am ersten Tag verlangt werden

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Eine Begründung für den ärztlichen Attest muss vom Arbeitgeber nicht genannt werden

Ein Arbeitgeber kann ohne Angabe von Gründen schon am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest vom Arbeitnehmer anfordern. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 14.11.2012 in einem Grundsatzurteil. (BAG, Urteil vom 14.11.2012, Az:5 AZR 886/11)

Das Bundesarbeitsgericht verhandelte den Fall einer WDR-Journalistin, deren Arbeitgeber schon am ersten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von der Mitarbeiterin verlangte. Die Arbeitnehmerin wurde nach einer Krankmeldung im November 2010 von ihrem Arbeitgeber aufgefordert, künftig schon am ersten Krankheitstag ein Attest vorzulegen. Die Arbeitnehmerin hielt dies für schikanös und hatte gegen ihren Arbeitgeber geklagt.

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BAG: Ein konkreter Verdacht gegen den Arbeitnehmer ist nicht erforderlich

Die Klage blieb erfolglos. Nach Ansicht des BAG müssen die Arbeitgeber demnach auch nicht begründen, warum sie bereits so früh eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt bekommen wollen. Es liege in ihrem Ermessen, dies auch ohne objektiven Anlass von ihren Mitarbeitern zu verlangen.

Die Arbeitnehmerin hatte argumentiert, ein derartiges Begehren des Arbeitgebers wäre nur mit der Begründung berechtigt, wenn etwa der Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter eine Krankheit vortäuscht.

Der Arbeitgeber hatte vorgetragen, dass die Arbeitnehmerin sich für den Tag krank gemeldet hatte, für den sie ursprünglich ohne Erfolg eine Dienstreise beantragt hatte. Aus diesem Grunde sah der Arbeitgeber das Vertrauensverhältnis zur Mitarbeiterin als erschüttert an und verlangte von der Mitarbeiterin fortan bei jeder Krankmeldung die Vorlage am ersten Krankheitstag.

Vorinstanz
LArbG Köln, Urt. v. 14.09.2011 - 3 Sa 597/11

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Leserkommentare
von G.Recht am 16.11.2012 16:02:03# 1
Konsequenterweise bedeutet dies auch, daß bei Wochenend-, Sonn- und Feiertagsarbeit selbst für geringere Krankheitsursachen (etwa Erkältung, Grippe und dergleichen) der Arbeitnehmer einen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst aufsuchen müßte. Ob das verhältnismäßig ist, insbesondere auch unter Berücksichtigung der dortigen Wartezeiten, wirklicher Notfälle sowie (noch) gesonderter Praxisgebühr, sei dahingestellt.
    
von Frai am 17.11.2012 11:15:50# 2
Meines Erachtens, ein skandalöses Urteil des sogenannten Bundesarbeitsgerichtes -BArG-. Es handelt sich um eine Mißachtung der vom Gesetzgeber geschaffenen Voraussetzungen. Immer deutlicher wird, daß das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland -GG- entweder nicht mehr gilt oder vorsätzlich - was sonst - gegen Art. 20 III, 92, 97 I GG verstoßen. Aber das verwundert mich nicht mehr, zumal dies mittlerweile zum Tagesgeschäft gehört. Was machen die in Sippenhaft genommenen Rechtsanwälte dagegen? Nichts, denn sie schwimmen mit im Boot, damit sie ihre Zulassung nicht verlieren.

Übrigens teile ich die Auffassung nicht, daß auch an Wochenenden ein ärztliches Attest vorzulegen sei. Grund: Es heißt auf Verlangen und verlangen kann ich nur etwas nur, das tatsächlich zu erbringen ist. Schon die Verhältnismäßigkeit scheint hier nicht mehr gewahrt zu werden, ohne daß der Kosten- und Nutzeneffekt herangezogen wird.
    
von STELLArecht04 am 21.11.2012 11:55:24# 3
Wer jemals einen Magen-Darm-Virus hatte, weiss, dass man nach einer Nacht im Bad, schlichtweg nicht in der Lage ist, am nächsten Tag einen Arzt aufzusuchen. Nicht jeder hat den Arzt seines Vertrauens auf der anderen Straßenseite, und wie soll man Fahrt und Wartezeit überstehen, ohne jederzeit Zugang zu einem Badezimmer zu haben? Wenn man in einem so elendigen Zustand doch beim Arzt ankommt, schreibt der einen gleich für eine Woche krank. Mit Bettruhe daheim wäre man vielleicht am 3. Tag wieder so fit, dass man zur Arbeit gehen kann, oder eben nicht, dann kann man immer noch einen Arzt aufsuchen.
Ob sich die Arbeitgeber damit wirklich einen Gefallen tun?
    
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