Auto aufgemotzt – Versicherer leistungsfrei!

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1. Problemaufriss

Der Artikel befasst sich mit einer aktuellen Entscheidung des OLG Koblenz und der Frage, wie aufgrund von Veränderungen an einem KFZ der Versicherungsschutz in der Kasko entfallen kann. Dabei geht es um die sich aus dem allgemeinen Versicherungsvertragsrecht ergebende Problematik der Gefahrerhöhung. Die nicht nur für Autobastler folgereiche Problematik soll nachfolgend beleuchtet werden.

Wer sein Auto „aufmotzt" und dies nicht der Versicherung mitteilt, riskiert seinen Versicherungsschutz. Das geht aus einem am Montag bekannt gewordenen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz hervor. Demnach muss die Versicherung nicht zahlen, wenn ihr Veränderungen am Auto, die die Gefahr eines Unfalls erhöhen, nicht gemeldet wurden (Az. : 10 U 56/06).

Das Gericht hob mit seinem Urteil die Entscheidung eines Landgerichts auf und wies die Klage eines Fahrzeughalters gegen dessen Versicherung ab. Der Mann hatte sein Vollkasko versichertes Auto technisch verändert, dies aber nicht der Versicherung mitgeteilt. Als er das Auto seinem Sohn überließ, kam es zu einem tragischen Verkehrsunfall, bei dem ein Freund des Sohnes starb. Die Versicherung weigerte sich, den Totalschaden am Fahrzeug zu ersetzen, da sie über das Tuning nicht informiert worden war.

2. Der Ausgangsfall

Der Kläger hatte an dem Fahrzeug Veränderungen der Bereifung auf Breitreifen, eine Spurverbreiterung durch Distanzringe, eine Leistungssteigerung des Motors von 66 kW- auf 81 kW-Motorleistung und eine Tieferlegung des Fahrwerks vorgenommen. Nach dem Tuning verlieh der Kläger das Fahrzeug an seinen Sohn, der wiederum einen Freund ans Steuer ließ. Beide genossen reichlich Alkohol. Der Unfall wurde dadurch ausgelöst, dass der Freund während der Fahrt die Handbremse des Fahrzeugs anzog, woraufhin dieses ins Schleudern geriet und von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug überschlug sich. Während der Sohn des Klägers nur leichtere Verletzungen erlitt, waren diejenigen des Freundes so schwer, dass er diesen noch an der Unfallstelle erlag. Die Schäden wollte der Kläger vom Kaskoversicherer ersetzt bekommen. Dieser berief sich aber mit Erfolg auf Leistungsfreiheit.

3. Regelungen im Versicherungsrecht

Hier ist ein wichtiger, kaum bekannter versicherungsrechtlicher Bereich betroffen: Leistungsfreiheit des Versicherers wegen vom Versicherungsnehmer verursachter Gefahrerhöhung. Davon abzugrenzen ist die Gefahrerhöhung, die unabhängig vom Tun des Versicherungsnehmers eintritt. Dies ist nicht Gegenstand der weiteren Ausführungen.

Nach den Vorschriften der §§ 23, 25 VVG (=Versicherungsvertragsgesetz) ist der Versicherer regelmäßig nämlich dann leistungsfrei, d. h. er muss nicht zahlen, wenn eine vom Versicherungsnehmer veranlasste Gefahrerhöhung nach Vertragsschluss vorliegt und diese vom Versicherungsnehmer schuldhaft nicht angezeigt wurde (oder bei fehlendem Verschulden nicht unverzüglich angezeigt wurde). Eine bloße Mitursächlichkeit der Gefahrerhöhung am späteren Leistungseintritt genügt dabei für die Leistungsfreiheit.

Was aber ist nun mit dem sehr abstrakten Begriff der Gefahrerhöhung gemeint?

Ein Fall der (hier sog. subjektiven) Gefahrerhöhung ist gegeben, wenn ein Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrages die Risikoumstände ungünstig verändert oder eine solche Veränderung durch einen Dritten zulässt, (§ 23 Abs. 1 VVG).

Beispiele: das versicherte Gebäude, das unbewohnt und unbeaufsichtigt gelassen wird, so dass die Gefahr von Vandalismus und Brandstiftung zunimmt. Oder das Offenlassen von Festern, dass die Einbruchsgefahr erhöht; generell das Entfernen von Schutzmechanismen oder Sicherungen; zu geringes Abstandhalten einer Holzkonstruktion von einer Feuerquelle; Abschaffen eines Wachhundes; Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit von KFZ; Übergabe des KFZ an sichtlich übermüdeten Fahrer oder nun eben das Tuning. Die Beispiele sind nicht abschließend.

4. Die Entscheidungsgründe kompakt

Das Gericht bejaht eine Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Gefahrerhöhung nach § 25 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 VVG. Es meint, die vom Kläger vorgenommenen bzw. durch ihn zugelassenen Veränderungen an seinem Fahrzeug haben in geradezu typischer Weise die Gefahr für das Zustandekommen eines Unfalles erhöht. Denn Umbauten und Veränderungen (Tuning) hatten einzig und allein den Zweck, das Fahrzeug sportlicher und schneller zu machen. Sie würden insgesamt eine Leistungssteigerung im Hinblick auf die Geschwindigkeit darstellen. Außerdem würden sich Fahrzeugveränderungen auch auf das Fahrverhalten des Benutzers auswirken und damit gefahrerhöhend wirken. Ein „getuntes" Fahrzeug schaffe gerade für junge Leute einen besonderen Anreiz, die durch das „Tuning" geschaffenen Möglichkeiten des Fahrzeuges auch tatsächlich „auszureizen". Entsprechend führe das „Tuning" typischerweise auch gemäß den jeweiligen Tarifmerkmalen zu einer höheren Prämieneinstufung. Der Kläger hätte gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 VVG die Pflicht gehabt, die nach Versicherungsabschluss vorgenommenen Veränderungen bei dem beklagten Versicherer anzuzeigen.

Auch das Fehlen einer unmittelbaren Verursachung durch die Veränderungen schade nicht. Insoweit genüge es, wenn in geradezu typischer Weise den durch das Tuning geschaffenen Anreizen des Fahrzeuges erlegen werde. Dies sei hier der Fall gewesen, weil der Fahrer mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei und das grob leichtsinnige „Handbremsenmanöver" in - vermeintlicher- Ausschöpfung der „Risikogrenzen" des Fahrzeugs unfallursächlich gewesen sei.

5. Fazit

Wie mit der vorliegenden und zutreffenden OLG-Entscheidung oder den aufgeführten Beispielen aufgezeigt wurde, können Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers, die Einfluss auf die versicherte Sache haben, den Versicherungsschutz kosten. Hätte der Versicherungsnehmer die Tuning-Maßnahmen angezeigt, hätte er bei leicht erhöhter Prämie nach wie vor den vollen Versicherungsschutz für den Unfall gehabt. Das Ergebnis wäre also leicht zu vermeiden gewesen.

Es sollte stets sensibel mit dem Zusammenhang von ursprünglich versicherter Gefahr, Veränderung der Gefahr und Leistungsumfang im Fall des Falles umgegangen werden. Da die Einzelfälle hierzu umfangreiche Kommentare füllen, ist eine abschließende Aufzählung der kritischen Fälle im Rahmen dieses kurzen Beitrages nicht möglich. Bei Zweifeln sollte ein versicherungsrechtlich versierter Anwalt rechtzeitig aufgesucht werden. Dabei sollte dieser Kollege unbedingt schwerpunktmäßig im Versicherungsrecht tätig sein.

Gerne können Sie mich hierzu, wie auch in anderen versicherungs- oder verkehrsrechtlichen Fragen, kontaktieren. Als Mitglied unter anderem in den Arbeitsgemeinschaften Versicherungsrecht und Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) bin ich der richtige Ansprechpartner.


Hans-Christoph Hellmann
-Rechtsanwalt-
Burgwedel 2007