Australisches Erbrecht

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Die gesetzliche Erbfolge am Beispiel von New South Wales und Victoria

Das Australische Erbrecht erlaubt dem Erblasser grundsätzlich frei zu bestimmen, wer als Erbe eingesetzt werden kann. So ist er frei, sein Vermögen nur einer Person oder einer Personengruppe zu vermachen, nahen Familienangehörigen, entfernten Verwandten, Freunden, Institutionen u.a.. Der Erblasser kann damit die gesetzliche Erbfolge umgehen, die in den einzelnen Bundesstaaten und Territorien unterschiedlich geregelt ist. Auch braucht der Erblasser bei der Verteilung seines Vermögens und der Festlegung der Erben auch grundsätzlich keine Rücksichten auf etwaige Pflichtteilsansprüche zu nehmen. Das Australische Erbrecht kennt einen Pflichtteilsanspruch nach deutschem Vorbild nicht. Die in den einzelnen Bundesstaaten und Territorien festgelegte gesetzliche Erbfolge kann somit durch eine testamentarische Verfügung umgangen werden, jedoch bestimmt sie immer dann die Erbfolge, wenn das Testament nicht oder nur teilweise gültig ist, oder es kein Testament des Erblassers gibt.

I. Gesetzliche Erbfolge

In Australien können künftige Erblasser also in den Genuss einer absoluten Testierfreiheit kommen und ihren Nachlass individuell regeln, sind hierzu aber natürlich keineswegs verpflichtet. Ähnlich wie in anderen Staaten verzichtet auch ein Großteil der australischen Bevölkerung auf eine Verfügung von Todes wegen. Ist dies der Fall, findet eine Nachlassverteilung der gesetzlichen Erbfolge entsprechend statt. So gelten in den einzelnen Bundesstaaten und Territorien unterschiedliche Bestimmungen. Das System und die zu findenden Unterschiedlichkeiten der gesetzlichen Erbfolge in den einzelnen Bundesstaaten und Territorien Australiens soll beispielhaft an den Erbfolgeregelungen von New South Wales und Western Australia dargestellt werden.

1. New South Wales, Succession Act 2006 (NSW)

Die gesetzliche Erbfolge in New South Wales ist im Succession Act geregelt. Der dort geregelten Erbfolge liegt  ein Ordnungssystem zugrunde, das der gesetzlichen Erbfolge in europäischen Ländern von der Systematik  weitestgehend entspricht. Die Regelungen des Succession Acts legen eine bestimmte Reihenfolge der gesetzlichen Erbe fest, der zu folgen ist, sofern ein Testament nicht besteht oder soweit dieses ganz oder teilweise unwirksam ist. Hierbei steht an erster Stelle der Erbfolge der überlebender Ehegatte, gefolgt von Abkömmlingen, Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen, Großeltern, sowie Tanten und Onkel bzw. deren Abkömmlinge (sec. 127, 128, 129, 130, 131, 132).

Diese Regelung räumt dem jeweils überlebenden Ehegatten grundsätzlich einen vollständigen Erbvorrang vor den anderen gesetzlich Erbberechtigten ein (sec. 111, 112). Diese grundsätzliche Regelung wird durch unterschiedliche Konstellationen modifiziert. Lebt ein Kind des Erblassers aus einer früheren Beziehungen zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers, so ist dieses z.B. neben dem überlebenden Ehegatten zur Hälfte erbberechtigt (sec. 113). Dieser Erbanteil wird unter mehreren Abkömmlingen zu jeweils gleichen Teilen aufgeteilt. Für den Fall, dass der Erblasser neben einem Ehegatten auch einen Lebenspartner (de facto spouse) hinterlässt, sieht die gesetzliche Erbfolge von New South Wales vor, dass der Nachlass geteilt wird (sec. 104, 105, 122).

Liegt kein oder kein wirksames Testament vor und gibt es keine gesetzlichen Erben, fällt das Erbe an den Bundesstaat New South Wales (sec. 136).

Neben diesen grundsätzlichen Regelungen der Erbfolge im Fall des sogenannten „intestacy“ (Versterben ohne Nachlassregelung des Erblassers), führen verschiedene Konstellationen der Familiensituation natürlich zu unterschiedlichen Regelungen der gesetzlichen Erbfolge, die im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sind. Hierbei hat die gesetzliche Erbfolgenregelung in New South Wales eine gewisse Ähnlichkeit mit der gesetzlichen Erbfolgenregelung und -struktur in anderen europäischen Ländern.

2. Victoria, Administration and Probate Act 1958 (Vic.)

Regelungen für die gesetzliche Erbfolge im Falle des Versterbens ohne oder ohne wirksames Testament finden sich für den Bundesstaat Victoria im Administration and Probate Act. Die Regelungen sehen auch hier einen gewissen Vorrang des Ehepartners vor anderen Erbberechtigten (sec. 51), jedoch auch nur soweit keine Kinder, Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind.

Hinterlässt der Erblasser neben einem Ehegatten (spouse) einen weiteren Lebenspartner (registered domestic partner, registered caring partner oder unregistered domestic partner), können auch diese grundsätzlich Ansprüche auf das Erbe bzw. auf Teile des Erbes erheben. Sec. 51 A wendet hierfür als Maßstab des Verteilungsanteil für den „unregistered domestic partner“ im Verhältnis zu dem jeweiligen „registered partner“ die Anzahl der Jahre an, die der Erblasser mit dem „unregistered partner“ zusammengelebt hat. Beträgt dieser Zeitrahmen z.B. weniger als 4 Jahre, beträgt das Aufteilungsverhältnis 1/3 zu 2/3 zugunsten.  

Für die weitere Verteilung des Erbes im Falle des Erbfalls ohne oder ohne (teilweise) wirksames Testament bestimmt die sec. 52 unter Berücksichtigung der Bestimmungen aus sec. 51, 51 A, welche Anteile den einzelnen, per Gesetzesbestimmung Erbberechtigten im Verhältnis zu stehen.

Existieren keine gesetzlichen Erben im Falle der Versterbens ohne wirksames Testament, so fällt auch hier der Nachlass an den Bundesstaat Victoria (sec. 56).

Auch hier führen natürlich unterschiedliche Konstellationen zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die gesetzliche Erbfolge und die jeweiligen Anteile am Nachlass im Fall des Versterbens „intestate“ (kein oder kein wirksames Testament).

Grundsätzlich könnte eine Rangfolge der gesetzlich vorgesehene Erben wie folgt zusammengefasst werden:

Vorrangig steht der überlebende Ehegatte/ Lebenspartner (spouse, domestic partner), sofern keine Kinder vorhanden sind. An zweiter Stelle stehen die Kinder des Erblassers, ungeachtet des Umstandes, ob diese ehelich geboren worden sind. Nach den leiblichen Kindern des Erblassers wären dann jegliche Nachkommen bzw. Verwandte („kin“) für die Erbfolge zu berücksichtigen. Sind gänzlich keine Erben des Erblassers (mehr) vorhanden, fällt der Nachlass gem. sec. 56 an den Bundesstaat Victoria.

II. Abschlussbemerkung

Diese Ausführungen hier können natürlich nur sehr rudimentär die Gesetzeslage im Fall des Versterbens ohne oder ohne wirksames Testament wiedergeben. Hier soll zunächst nur ein beispielhafter Überblick über die gesetzliche Erbfolge zweier australischer Bundesstaaten gegeben werden. Entsprechende Regelungen in anderen Teilen Australiens weisen zu den hier genannten Regelungen sicherlich Ähnlichkeiten auf, unterscheiden sich aber auch in anderen Aspekten wiederum erheblich.

Sofern Sie in diesem Kontext der gesetzlichen Erbfolge in Australien nähere Fragen haben oder Sie eine weitergehende Beratung in diesem oder einem anderen, das australische Erbrecht betreffenden Kontext haben,  können Sie mich gerne kontaktieren.