Auskunftsansprüche der Erben (Teil 1)

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1.) Auskunftsrechte gegen den Erbschaftsbesitzer

Bei Eintritt eines Erbfalles besteht regelmäßig Bedürfnis zur Ermittlung von Nachlassbestand und Nachlasswert. Sind Nachlassbestand und –wert geklärt, kann errechnet werden, wie hoch die entsprechenden Erbanteile sind. Um Kenntnis über den Nachlass erhalten zu können, ist das Erbrecht von diversen Anspruchsgrundlagen zur Erlangung der jeweils relevanten Auskünfte durchzogen. Denn ohne erfolgreiche Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs ist die Geltendmachung eines Erbanspruchs oft nicht möglich. Nachfolgend sollen deshalb die in der Praxis höchst relevanten Auskunftsansprüche von Erben gegen den Erbschaftsbesitzer, den verwaltenden Miterben sowie den Miterben wegen so genannten Vorempfängen dargestellt werden.

Nach § 2027 Abs. 1 BGB kann der Erbe von einem Erbschaftsbesitzer Auskunft über den Bestand der Erbschaft sowie über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen verlangen. Erbschaftsbesitzer ist, wer etwas aus der Erbschaft aufgrund eines ihm nicht zustehenden Erbrechts erlangt hat. Dabei ist zu beachten:

Martin Diefenbach
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  • Als „erlangt" gilt dabei auch dasjenige, was bereits vor dem Erbfall erhalten und aufgrund der Anmaßung eines Erbrechts einbehalten wurde, so etwa ein von dem Erblasser gewährtes Darlehen, dessen Rückzahlung verweigert wird.

  • Häufig sind die Fälle, in denen ein Miterbe ein Hausgrundstück als Teil des Nachlasses in Besitz nimmt. Hier wird der entsprechende Erbe nur dann zum Erbschaftsbesitzer, wenn er sich die Stellung eines Alleinerben anmaßt.

  • Anders liegt der Fall, wenn ein Miterbe zunächst als Vertreter des Erblassers und dann als Vertreter der Erbengemeinschaft ein Hausgrundstück zum Verkauf bringt. Wenn der entsprechende Miterbe für die Erbengemeinschaft handelt, ist er zu einer Veräußerung berechtigt und scheidet als Erbschaftsbesitzer aus. In Betracht kommt dann jedoch ein Auskunftsanspruch gegen den Miterben wegen einer vorgenommenen Verwaltungsmaßnahme (hierzu unter Ziffer 2.) mehr).

Als Faustregel gilt, dass immer dann, wenn ein Miterbe oder eine sonstige Person Nachlassgegenstände bzw. –werte in ihren Besitz bringt und dabei die Rechte der (anderen) Erben in Abrede stellt, eine Einordnung dieser Person als Erbschaftsbesitzer in Betracht kommt.

Inhaltlich schuldet der Erbschaftsbesitzer die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses. Umfasst sind nur die Aktiva des Nachlasses. Keine Auskunft kann deshalb von dem Erbschaftsbesitzer verlangt werden über Nachlassverbindlichkeiten, lebzeitige Schenkungen des Erblassers und damit über den Nachlasswert im eigentlichen Sinne. Bei Zweifeln an der Vollständigkeit und Richtigkeit des Verzeichnisses kann der Erbschaftsbesitzer zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hierüber verpflichtet werden. Da der Erbschaftsbesitzer eine Informationsbeschaffungspflicht hat, hat er auch über den Verbleib der nicht mehr vorhandenen oder unauffindbaren Gegenstände Auskunft zu erteilen.

2.) Auskunftsrechte gegen den verwaltenden Miterben

Nach gefestigter Rechtsprechung besteht kein allgemeiner Auskunftsanspruch unter Miterben, der sich – wie hier – auf den Nachlassbestand bzw. -wert richtet. Eine solche Pflicht lässt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ableiten, da die Miterbenstellung allein keine hierfür erforderliche Sonderbeziehung begründet.

Anders ist dies jedoch, wenn einer oder mehrere Miterben für den Erblasser bestimmte Geschäfte getätigt haben; dann können sich Ansprüche auf Auskunft aus §§ 666, 681 BGB gegen den betreffenden Miterben ergeben. Dies führt dann zu einer umfassenden Rechenschaftspflicht, nach der der insoweit tätig gewordene Miterbe eine genaue Aufstellung über die vorgenommenen Geschäfte schuldet. Für die Aufstellung, die den anderen Miterben vorzulegen ist, ist er belegpflichtig. Hatte ein Miterbe etwa Vollmacht über Bankkonten des Erblassers, so hat er auch alle entsprechenden Bankunterlagen wie etwa Sparbücher und Kontoauszüge vorzulegen.

Entsprechende Ansprüche bestehen auch, wenn ein Miterbe allein die Nachlassverwaltung geführt hat. Zu solchen Verwaltungsmaßnahmen gehören etwa

- eine Grundstücksveräußerung oder die erforderliche Regelung unternehmensbezogener Belange, soweit Betriebsvermögen zum Nachlass gehört;

- die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten;

- die Geltendmachung von Nachlassforderungen;

- die Anlage von Kapital bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft,

- allgemeine Rechtsgeschäfte.

Keine Auskunftsansprüche auslösenden Verwaltungsmaßnahmen sind dagegen u.a. grundsätzlich

- die Bestattung, Exhumierung oder Obduktion des Erblassers;

- der Widerruf von durch den Erblasser erteilten Vollmachten;

- Handlungen, die auf die Auseinandersetzung oder Auflösung des Nachlasses gerichtet sind.

Auch bezüglich dieser Auskunfts- bzw. Rechenschaftsansprüche kann der insoweit Verpflichtete zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben gezwungen werden.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich ein Miterbe jederzeit über Bestand und Wert des Nachlasses zumutbar selbst in Kenntnis setzen und dazu gegebenenfalls Mitwirkung der übrigen Miterben verlangen kann. Macht ein Miterbe von diesem Recht zunächst keinen Gebrauch, ist im Einzelfall zu prüfen, ob nachträglich geltend gemachte Ansprüche auf Auskunftserteilung bzw. Rechenschaft rechtsmissbräuchlich sein können.

3.) Auskunftsrechte gegen den Miterben wegen Vorempfängen

Nach § 2057 BGB ist jeder Miterbe verpflichtet, den übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über seine ausgleichungspflichtigen lebzeitigen Zuwendungen (Vorempfänge) zu erteilen. Zu diesen Zuwendungen gehört das, was umgangssprachlich unter „Aussteuer" zu verstehen ist, sowie unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse zu den Einkünften sowie zur Berufsausbildung (vgl. hierzu den Aufsatz des Verfassers unter dem Titel Wann sind lebzeitige Zuwendungen unter Geschwistern ausgleichspflichtig? ).

Das entsprechende Auskunftsrecht dient dazu, die Ausgleichspflichten unter den Miterben zu sichern. Es steht allen Miterben unter- bzw. gegeneinander zu. Zudem hat der pflichtteilsberechtigte Nichterbe einen solchen Anspruch. Auch ein von der Erbfolge ausgeschlossener Abkömmling, der seinen Pflichtteil beansprucht, wird von der Auskunftspflicht getroffen.

Die Form der Auskunft erfordert nur dann an ein Verzeichnis, wenn eine Mehrheit von Vermögensgegenständen zugewendet worden ist. Im Übrigen kann der Anspruchsverpflichtete auch bezüglich der erhaltenen Zuwendungen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung herangezogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Auskunft nicht mit der nötigen Sorgfalt erteilt worden ist.

4.) Fazit

Wichtig ist es für Erben in jedem Falle, Klarheit über den Umfang sowie den Wert des Nachlasses zu erlangen. Auf dieser Grundlage ist dann eine Konkretisierung der erbrechtlichen Ansprüche möglich. Oft reicht die „Drohung" mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aus, um einen Zuwendungsempfänger zu den geforderten Auskünften zu veranlassen. In Fällen, in denen dieser jedoch stur bleibt, sollte man seine Rechte gerichtlich geltend machen.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.
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