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Mehr zum Thema: Vertragsrecht, AGB, Vertragsklauseln
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Der Internet-System-Vertrag und andere Misch-Knebelverträge auf dem gerichtlichen Prüfstand.

Immer wieder wird versucht, den Kunden oder Geschäftspartner mit verwirrenden Vertragskonstrukten zu benachteiligen. 

Typisch ist es, dass in den Angeboten und Vertragsformularen verschiedene Leistungen unübersichtlich verbunden werden. Der für den Anbieter günstigste Leistungsbestandteil soll dann für den gesamten Vertrag gelten.

Stefan Musiol
Partner
seit 2009
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz
Heideweg 29f
22952 Lütjensee b. Hamburg
Tel: 041549888853
Tel: 09119601919
Web: https://strategie-unternehmen.de
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Vertragsrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht
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Antwortet: ∅ 20 Std. Stunden

Diese Vorgehensweise ist aus gemischten Telekommunikationsverträgen bekannt, bei denen Handys, Computer oder gar Fernseher mitverkauft werden. Unter anderem das Widerrufsrecht im Fernabsatz oder Kündigungsrechte zu umgehen ist häufig die Zielrichtung der Knebelverträge. Wird eine Teilleistung, wie die Handykarte aktiviert und in Anspruch genommen, soll das Widerrufsrecht entfallen sein.

Der Internet-System-Vertrag

Ein weiteres, in der Rechtsprechung und Internetforen aktuell häufig behandeltes Thema ist der Internet-System-Vertrag, eine tatsächliche Mischung aus der Gestaltung und Programmierung einer Internetseite und Hostingleistungen sowie Aktualisierungen der erstellten Seiten, wie sie durch eine größere Dienstleistergruppe bundesweit angeboten wird.

Der Programmieranteil soll nach Angabe des Dienstleisters kostenfrei erfolgen, nur das auf vier Jahre festgelegte Hosting wäre mit „kleinen" Gebühren zu bezahlen. Schon der Preisvergleich verrät aber, dass in die monatlichen Zahlungen von mindestens 100,- Euro die Programmierkosten satt einkalkuliert werden - hier wären die mageren Basis-Hostingleistungen sonst zehnfach überteuert. Ähnliche Gestaltungen sind von einer Sicherheitsfirma und und für die Schaltung von Suchmaschinenwerbung bekannt.

Geleistet und verhandelt wird nicht

Der Anbieter deklariert den „Internet-System-Vertrag" als Mietvertrag und verlangt schon acht Wochen nach Vertragsschluss vom Kunden eine Zahlung von 6 – 12 Monatsentgelten im voraus, wohl regelmäßig noch vor Fertigstellung der Internetseite. Kündigt der Kunde oder verlangt er eine abnahmefähige Vorleistung, zeigt der Anbieter systematisch kein Verständnis und verklagt ihn unter Berufung auf seine Vorauszahlungspflicht im Vertragsformular.

Eine zusätzliche Problematik ist es, dass das Unternehmen im Urkundsverfahren klagt, um möglichst schnell vorläufige Titel zu erwirken und seine Kunden zusätzlich in Bedrängnis zu bringen. Eine überraschend aggressive Vorgehensweise, die nur darauf schließen lässt, dass es diesen Unternehmen nicht auf zufriedene Kunden und langfristige Bindungen zu diesen ankommt.

Die Inhaltskontrolle der Gerichte

Dieses Vorgehen scheint nunmehr nach Jahren der Unsicherheit und widersprüchlichen Gerichtsentscheidungen an der Inhaltskontrolle der Gerichte zu scheitern. Überwiegend und ganz einheitlich stellen die Gerichte jetzt klar, dass es auch hier nicht auf die Bezeichnung des Vertrags sondern nur auf die Inhalte ankommen kann (§ 133 BGB). Und da zeigt der „Internet-System-Vertrag" tatsächlich die entscheidenden Elemente des Werkvertrags, hinter die geringwertigen und damit relativ unbedeutenden Hostingleistungen zurücktreten. Daher kann der Kunde auch bis zu Fertigstellung jederzeit gemäß § 649 BGB kündigen und muss nur die tatsächlich erbrachten Leistungen bezahlen. Der Knebelungsversuch des Formvertrags auf vier Jahre ist wirkungslos.

Denn die abweichenden Regelungen im Bestellformular sind gemäß § 305c in unzulässiger Weise überraschend bzw. gemäß § 307 BGB als unzulässige Abweichung vom gesetzlichen Werkvertragsrecht und Benachteiligung des Bestellers unwirksam, sofern mit der verwirrenden, intransparenten Gestaltung überhaupt eine hinreichend bestimmte Vertragsleistung im Formular definiert wurde (so das AG Düsseldorf, Urt. v. 23.12.2009 – 32 C 3951/09; AG Burgdorf, Urt. v. 27.10.2009 – 3 C 553/08).

Dem ist vollumfänglich zuzustimmen. Denn es wäre auch vertretbar, dem intransparenten Formularvertrag jede Verbindlichkeit abzusprechen, nachdem eine völlig überhöhte Zahlung von 1.000,- Euro gerade für Leistungen verlangt wird, die einen Marktwert von maximal 100,- Euro im Jahr haben.

Wenn die Parteien die Zahlung aber auf die Erstellung der Internetseiten bezogen, liegt ein Werkvertrag vor, der gekündigt werden kann (Berufungssache LG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2009 - 21 S 53/08; AG Aichach, Urt. v. 23.12.2009 – 102 C 749/09; AG Wuppertal, Urt. v. 20.11.2009 - 32 C 217/08; Berufungssache LG München I, Verfügung vom 27.08.2009 - 275 C 7986/08; AG München, 275 C 7986/08).

Die Gerechtigkeitslücke schlossen Richter des Amtsgerichts Düsseldorf vor allem in früheren Entscheidungen auch noch auf einem alternativen Weg. Sie gestanden den Kunden ein Zurückbehaltungsrecht an einer weiteren Zahlung zu, wenn die Internetseite nicht spätestens acht Wochen nach Vertragsschluss mangelfrei fertig gestellt war. Denn es sei auch nach dem Formularvertrag nur logisch, dass nicht nur die eines Seite eine verzugsfreie Leistung fordern kein.

Dass vorausgehend insbesondere durch einzelne Kammern des Landgerichts Düsseldorf noch im Jahr 2008 ein Mietvertrag bestätigt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich ist eine individuell gestaltete Internetseite so gut wie nicht weiterverwendbar. Was also soll vermietet werden? So lautet aber noch die Entscheidung Landgericht Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2008 - 20 S 79/08. Die rechtlichen Ausführungen der Kundenanwälte, die spätestens seit dem Jahr 2005 auf die werkvertraglichen Inhalte des Formulars hinwiesen, blieben bis dahin ungehört.

Unfälle am Schreibtisch vermeiden

Die Abläufe zeigen, dass sich über Gerichte unter Umständen nur mit langwierigen Prozessen, evtl. in mehreren Instanzen eine Vertragskontrolle erreichen lässt.

Verlassen kann sich darauf also niemand. Jedem ist daher dringend zu raten, Vertragsformulare genau zu lesen und unklare Regelungen zurückzuweisen. Dies gilt unter anderem für jeden Mobilfunkvertrag, Kreditvertrag oder Vertrag über Internet-Dienstleistungen. Die Inhaltskontrolle führt offenbar nicht dazu, dass sich die Inhalte der Verträge ändern.

Geschäftlich wie privat gilt nach wie vor: Die meisten Unfälle passieren am Schreibtisch.

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