Arbeitszeugnis: Wer eine bessere Note als 3 haben will, muss die bessere Leistung beweisen

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Schlechte Nachrichten für Arbeitnehmer vom Bundesarbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht hat die Chance zur Korrektur seiner zweifelhaften Rechtsprechung zu Arbeitszeugnissen ungenutzt gelassen. Zum Hintergrund: Schlechte Karten haben Arbeitnehmer bislang in Zeugnisrechtsstreitigkeiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Note drei (zur vollen Zufriedenheit). Wollen sie eine bessere Benotung durchsetzen, müssen sie bessere Leistungen beweisen. Wer nicht über ein entsprechendes Zwischenzeugnis verfügt, hat quasi keine Chance, einen solchen Beweis zu führen. Umgekehrt kann man sich aber heutzutage mit einem Zeugnis mit der Note drei nicht bewerben. Da die meisten Arbeitgeber übertrieben wohlwollende Zeugnisse ausstellen, erwarten sie bei der Bewerbung auch solche. Solche Zeugnisse sollten in der Praxis lieber unterschlagen werden. Große Hoffnungen hatte ich daher auf das zu erwartende neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts gesetzt. Ausgehend von einem Berliner Arbeitsgerichtsurteil, was die Durchschnittsnote auf 2 anheben wollte, hatte das Bundesarbeitsgericht nun abschließend zu entscheiden.

Das Urteil:

Um es vorweg zu nehmen: Meine Hoffnungen wurden enttäuscht. Das Bundesarbeitsgericht bleibt bei seiner Rechtsprechung.

Das Bundesarbeitsgericht: Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit" erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend". Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit") oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit") Endnoten vergeben werden.

Nicht einmal der Umstand, dass im entschiedenen Fall einer vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studie zufolge fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut" oder „sehr gut" aufweisen sollen, konnte das Bundesarbeitsgericht überzeugen.

Kritik:

Es liegt mir bisher nur eine Pressemeldung vor, man muss daher die genaue Begründung abwarten. Fakt ist aber, dass der Praxis mit einer solchen Entscheidung überhaupt nicht geholfen ist. Dem Bundesarbeitsrecht ist zuzugeben, dass es auch eine Wahrheitspflicht für den Arbeitgeber gibt. Gleichwohl ist allgemein bekannt, dass der Zeugnisinhalt heutzutage unter anderem auch in Vergleichen vor den Arbeitsgerichten Gegenstand ist. Von Wahrheitspflicht kann daher im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen überhaupt keine Rede mehr sein. Schade, dass das Bundesarbeitsgericht diese Realität nicht zur Kenntnis nehmen will und damit vielen Arbeitnehmern nur die Wahl zwischen einem aussichtslosen Arbeitsgerichtsprozess oder verminderten Aussichten auf einen künftigen Arbeitsplatz lässt.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Besorgen Sie sich unbedingt einmal im Jahr ein Zwischenzeugnis von Ihrem Arbeitgeber. Solange das Arbeitsverhältnis beschwerdefrei läuft, gibt es in der Regel damit kein Problem. Auf diese Weise können sie später Ihre Leistung im Prozess beweisen. Alternativ können Sie bei künftigen Bewerbungen auch (lediglich) das Zwischenzeugnis vorlegen.
Bei Verhandlungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollte das Arbeitszeugnis immer eine Rolle spielen. Am besten man nimmt man ein vorformuliertes Zeugnis als Anlage zum Vergleich.

Quelle:  Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2014 - 9 AZR 584/13 - (Pressemeldung)

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