Arbeitsgerichtliches Verfahren ohne Rechtsanwalt?

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Arbeitsgericht, Rechtsantragsstelle, Gütetermin, Vergleich, Kammertermin
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Vier Schritte, wie Sie sich als Arbeitnehmer selbst verteidigen können

Dieser Artikel beschreibt, auf welche Weise ein(e) Arbeitnehmer(in) ohne Rechtsanwalt einen überschaubaren Streit mit seinem (ihrem) Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht kostengünstig ausfechten kann.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin ist gekündigt worden. Ihr wurde zudem eine Abfindung zugesagt. Die Abfindung wurde jedoch - trotz Mahnung und Fristsetzung - nicht gezahlt. Wie kann die Arbeitnehmerin vorgehen, um möglichst kostengünstig die Abfindung vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen?

Hans-Jochen Boehncke
Partner
seit 2009
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kurt-Schumacher-Str. 18-20
53113 Bonn
Tel: 02 28/9 57 50 50
E-Mail:
Gesellschaftsrecht, Miet- und Pachtrecht, Vertragsrecht, Verkehrsrecht

Die Lösung:

Kein Anwaltszwang in der ersten Instanz

Schritt 1: In der ersten Instanz beim Arbeitsgericht besteht kein Anwaltszwang. Jede Arbeitnehmerin oder jeder Arbeitnehmer kann sich selbst vor dem Gericht vertreten.

Will die Arbeitnehmerin anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, muss sie wissen: Unabhängig vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens, also auch im Falle eines vollen Obsiegens, trägt jede Partei beim Arbeitsgericht die notwendigen außergerichtlichen Kosten (Anwaltskosten, Fahrtkosten, Auslagen) selbst. Dies ist in § 12 a I S.1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) geregelt. Die Arbeitnehmerin muss also stets die eigenen Anwaltskosten tragen. Sie muss zugleich jedoch nicht fürchten, mit den Anwaltskosten des Arbeitgebers konfrontiert zu sein.

Arbeitnehmer sollten zur Klageschriftformulierung Hilfe der Rechtsantragsstelle nutzen

Schritt 2: Bei jedem Arbeitsgericht gibt es eine sog. Rechtsantragsstelle. Diese hilft kostenlos, eine Klageschrift zu formulieren. Damit kann die Arbeitnehmerin sicher sein, dass das Gericht in geordneter Weise von dem Anspruch erfährt.

Bei Einigung fallen keine Gerichtskosten an

Schritt 3: Zunächst ist die Klageerhebung beim Arbeitsgericht gerichtsgebührenfrei. Das Arbeitsgericht wird nach Klageeingang kurzfristig einen so genannten Gütetermin bestimmen. Zu diesem Termin sollen die Parteien anwesend sein und das Gericht erörtert die Sach- und Rechtslage. In sehr vielen Fällen - so auch dem hiesigen Beispielsfalle - wird das Gericht einen konkreten Vorschlag ansprechen, wie die Sache vergleichsweise erledigt werden kann.

Kommt es zu einer Einigung, ist das Verfahren abgeschlossen. Es fallen dann keine Gerichtskosten beim Arbeitsgericht an. Die Arbeitnehmerin hat ihr Ziel, möglichst kostengünstig den Anspruch gerichtlich zu verfolgen, erreicht.

Scheitert im Gütetermin eine vergleichsweise Einigung, z.B. weil der Arbeitgeber sich stur stellt, ist immer noch alles für die Arbeitnehmerin möglich.

Hinweise des Gerichts beachten

Schritt 4: Das Gericht erteilt nämlich Hinweise, wie das weitere Verfahren ablaufen wird. Dazu gehört z.B., ob die Klägerin noch etwas selbst vortragen muss. Es wird zudem ein so genannter Kammertermin bestimmt, in dem über die Sache streitig verhandelt wird. Hier gilt es zu wissen, dass erstmals Gerichtskosten beim Arbeitsgericht anfallen, wenn dieser Kammertermin tatsächlich stattfindet und es dort nicht zu einem Vergleich, sondern einem Urteil kommt.

Im Ergebnis hat es also die Arbeitnehmerin lange in der Hand, einen solchen Anspruch zunächst kostengünstig alleine zu verfolgen. Sollte ihr das Gericht im Gütetermin sagen, dass an der Sache gar nichts dran ist, führt selbst die Klagerücknahme zu diesem Zeitpunkt zu keiner Kostentragungspflicht. Ein solches Vorgehen erscheint also immer dann sinnvoll, wenn es um klar abgrenzbare, überschaubare Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geht, etwa eine Klage auf Zeugniserteilung, auf Herausgabe von Arbeitspapieren oder wie hier einen bestimmten Geldbetrag.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Jochen Boehncke
Rechtsanwalt