Arbeitnehmerhaftung und innerbetrieblicher Schadensausgleich

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Haftungseinschränkungen im Innen – u. Außenverhältnis

Es kann auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer ein Fehler unterlaufen. Der Grundsatz, dass jeder für sein Verhalten verantwortlich ist, gilt allerdings auch im Arbeitsleben. Die gesetzliche Unfallversicherung entlastet den Arbeitnehmer nach § 105 Abs. 1 SGB VII, wenn er einer anderen im Betrieb beschäftigten Person durch seine betriebliche Tätigkeit einen Personenschaden zufügt. Im übrigen trifft den Arbeitnehmer jedoch für Personen – und Sachschäden, die er durch eine betriebliche Tätigkeit anderen schuldhaft beibringt, grundsätzlich eine Haftung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ( BGB ).

Die Haftung wird jedoch im Allgemeinen als unangemessen empfunden, wenn nämlich der Arbeitnehmer den Schaden nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig verursacht hat: So könnte ja eine einzige Unachtsamkeit den Arbeitnehmer und seine Familie in den Ruin reißen.

Die Rechtsprechung hat daher die Arbeitnehmerhaftung gegenüber dem Arbeitgeber ( Innenverhältnis ) eingeschränkt. Bei einer Haftung gegenüber Dritten ( Außenverhältnis ) kann dem Arbeitnehmer außerdem ein Rückgriffs – oder ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zustehen.

Innerbetrieblicher Schadensausgleich

Sollte der Arbeitgeber darlegen und beweisen können, dass der Arbeitnehmer schuldhaft einen Schaden verursacht hat, so greift zu Gunsten des Arbeitnehmers dennoch nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ein Haftungsprivileg. Allerdings nur, wenn der schutzwürdige Arbeitnehmer den Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verursacht hat.

Der innerbetriebliche Schadensausgleich begrenzt den Umfang der Arbeitnehmerhaftung, je nach dem Grad des Arbeitnehmerverschuldens. Differenziert wird zwischen einfacher bzw. leichtester, normaler bzw. mittlerer, sowie grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Bei Vorsatz ist keine Haftungsbeschränkung gerechtfertigt. Die Begriffe für sich genommen begründen noch keine Haftungsbegrenzung, da der Umfang der Haftung im Ergebnis von einer Abwägung der Gesamtumstände am Einzelfall abhängig ist. Dennoch soll im Folgenden zur Veranschaulichung der Versuch unternommen werden, bestimmte Fallgruppen näher zu umschreiben.

Leichteste Fahrlässigkeit

Leichteste Fahrlässigkeit liegt bei kleineren Fehlern oder Versehen vor. Als Beispiel könnten die Fälle dienen, dass ein Tankwart nach dem Waschen eines Kfz mit nasser Schuhsole vom Bremspedal rutscht oder die Sekretärin aus Übereifer die Kaffeetasse vom Tisch fegt. In derart gelagerten Fällen kann eine Arbeitnehmerhaftung gänzlichst ausgeschlossen sein.

Mittlere Fahrlässigkeit

Bei normaler ( = mittlerer ) Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, ohne dass ihm ein besonders schwerer Vorwurf zu machen ist. Eine vollständige Haftungsfreistellung wird hier in der Regel jedoch abzulehnen sein. Die Rechtsprechung nimmt beim Ausgleich des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Quotelung an Hand der Umstände des Einzelfalles vor. Der Schaden wird sich somit nicht immer hälftig teilen lassen. Kriterien zur Ermittlung der Haftungsquote sind die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und entsprechend versicherbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe seines Arbeitentgelts und unter Umständen auch seine persönlichen Verhältnisse, wie Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Familienverhältnisse.

Unterlässt der Arbeitgeber die Obliegenheit zum Abschluss einer Versicherung, so trifft den Arbeitnehmer eine Haftung maximal bis zur Höhe der fiktiven Selbstbeteiligung.

Grobe Fahrlässigkeit

ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und Verhaltensregeln missachtet, die im konkreten Fall jedem einleuchten müssen. Als Beispiele seien hier nur das Überfahren einer seit 6 Sekunden auf rot geschalteten Ampel oder der Blick in eine Straßenkarte beim Lenken eines Kfz genannt.

Hierbei haftet der Arbeitnehmer in aller Regel für den gesamten Schaden.

Allerdings ist eine Haftungseinschränkung möglich, wenn zwischen Vergütung und Schaden ein deutliches Missverhältnis besteht. Ein solches Missverhältnis zwischen Schaden und Verdienst des Arbeitnehmers besteht nicht, wenn der zu ersetzende Schaden deutlich unterhalb von drei Monatsbruttoeinkommen liegt.

Innerbetrieblicher Schadensausgleich bei Verletzung Dritter

Die richterrechtlich entwickelten Grundsätze der Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit gelten nur zwischen Arbeitsvertragsparteien. Häufig – so etwa bei einem Verkehrsunfall – kommt es aber vor, dass ein Arbeitnehmer bei betrieblicher Tätigkeit auch Rechtsgüter Dritter verletzt.

In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer, der den Schaden des Dritten ersetzt, gegen den Arbeitgeber einen R ü c k g r i f f s a n s p r u c h in Höhe der Quote, die nach den oben beschriebenen Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auf den Arbeitgeber entfällt. Hat der Arbeitnehmer dem Dritten den Schaden ( noch ) nicht ersetzt, sollte er vom Arbeitgeber im Rahmen eines Freistellungsanspruches verlangen können, dass der Arbeitgeber in Höhe der auf ihn entfallenden Haftungsquote den Dritten direkt entschädigt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Abwicklung von betrieblich veranlassten Schäden ist eine komplexe Angelegenheit. Zunächst sollte geprüft werden, ob dem Arbeitnehmer überhaupt ein Verschulden angelastet werden kann und dieses ggf. auch vor Gericht bewiesen werden könnte. In einem nächsten Schritt stellt sich regelmäßig die Frage, ob den Arbeitgeber ein Mitverschulden - etwa ein Organisationsverschulden - trifft. Erst wenn die Haftung des Arbeitnehmers dem Grunde nach bejaht werden kann, stellt sich die Frage ob und wie die Grundsätze des oben beschriebenen innerbetrieblichen Schadensausgleichs Anwendung finden.


Dipl.-Jur. M. Kohberger
Rechtsanwalt