Abrechnungsbetrug auch durch medizinisch indizierte Leistungen?

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Der Fall

Der BGH hatte sich in seinem Beschluss 4 Str 280/94 damit auseinanderzusetzen, ob auch der Fall eines Abrechnungsbetruges vorliegt, wenn ein Arzt Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung von intravenösen Injektionen, Infusionen oder Blutentnahmen (betreffend Gebührenziffern 5418, 5507, 5508) gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnet, obwohl diese kraft genereller Anweisung durch das Praxispersonal des Arztes durchgeführt wurden.

Mathias Drewelow
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Die Fragestellung hört sich zunächst einmal wenig einleuchtend an – hierbei gab es jedoch zu beachten, dass es eine Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gibt (§ 1 E-GO vom 8. 12. 1979), wonach Leistungen der vorgenannten Art von Hilfskräften nur dann dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft genügen, wenn der Arzt sie im Einzelfall angewiesen hat.

Da dies hier nicht getan wurde, sollten sie eben auch nicht abrechnungsfähig sein. Demnach besteht kein Leistungsanspruch gegenüber den Krankenkassen.

Die Entscheidung

Der BGH hat hier tatsächlich einen Abrechnungsbetrug angenommen und argumentierte wie folgt:

Dem Arzt waren die bedeutsamen Richtlinien bekannt, nach denen eine Abrechnung nicht hätte stattfinden dürfen. Die im Sozialrecht geltende strenge formale Betrachtungsweise, nach der Leistungen insgesamt nicht erstattungsfähig sind, wenn sie in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genügen (vgl. BSGE 39, 288, 290), gebiete es, dass sich auch die zwar medizinisch indizierten und lege artis erbrachten Leistungen als Schadenspositionen bei den geschädigten Krankenkassen auswirken.

Auch eine Kompensation in der Form, dass die Krankenkassen infolge der von dem behandelnden Arzt bzw. seinen Helferinnen erbrachten Leistungen Aufwendungen erspart haben, die ihnen bei Inanspruchnahme eines anderen Arztes durch die vom behandelnden Arzt behandelten Patienten entstanden wären, findet im Rahmen der Schadensberechnung nicht statt. (vgl. NStZ 1995, Heft 2, S. 86)

Zwar handelte es sich bei den vorgenommenen Leistungen nicht um so genannte „Luftleistungen“ (also überhaupt nicht vorgenommene Behandlungen) – trotzdem müsse man dem behandelnden Arzt erschwerend zur Last legen, dass er zulasten der Solidargemeinschaft abrechnete. (vgl. a.a.O.)Letztlich stellt der BGH noch fest, dass die Behandlungen des Arztes nicht zu beanstanden waren und dass durch ihn keine überflüssigen Leistungen vorgenommen wurden und dass ihm kein Vorwurf des „übersteigerten Gewinnstrebens“ gemacht werden könne. Der BGH bleibt jedoch bei seinem Ergebnis, dass sich der behandelnde Arzt durch sein Abrechnungsverhalten des Betruges strafbar gemacht hat.

Fazit:

Auch dieses Urteil ist Ausprägung der denkwürdigen Bemühungen ärztliche Tätigkeit zu kriminalisieren – somit verfehltes oder ungewünschtes Abrechnungsverhalten mit dem Schwert des Strafrechts zu richten.

Die Rechtsprechung schreitet seit längerem mit verfassungsrechtlich fragwürdiger Ausweitung der Strafbarkeit wie u. a. dem „sozialrechtlichen Schadensbegriff“ mit der Sanktionierung eigentlich sozialrechtlicher- bzw. zivilrechtlicher Problemstellungen voran.

Ob dies sachgerecht ist, wird vielerorts in Zweifel gestellt. In jedem Fall wird sich, auch wegen des gestiegenen Interesses der Medien an sog. „Kriminalität im weißen Kittel“, die Ärzteschaft gegen die Kriminalisierung ihres Handeln zur Wehr setzen müssen.

Mathias Drewelow
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