Ablieferung von Paketen bei Nachbarn

Mehr zum Thema: Verbraucherschutz, Widerrufsfrist, Online-Händler, Gefahrübergang, Verbraucher, Risiko
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Was ist zu beachten Welche Risiken bestehen für Online-Händler?

Trifft der Logistikdienstleister den Empfänger der Ware nicht an, so hat er in der Regel zwei Möglichkeiten: Er kann es zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal versuchen oder er gibt das Paket bei einer anderen Person ab. Dies kann zum Beispiel der Ehegatte oder ein Kind des Empfängers sein. Aber auch ein hilfsbereiter Nachbar oder der Kiosk an der Ecke.

Da die Paketzusteller unter ständigem Zeitdruck stehen, und eine erneute Zustellung in aller Regel nicht zusätzlich vergütet wird, ist die Versuchung groß, das Paket einer anderen Person zu übergeben oder sogar vor der Haustür abzulegen. Doch ist dieses Vorgehen mit Risiken verbunden, und zwar auch für den Händler!

Gefahrübergang

Zum einen ist die Frage, ob überhaupt die Gefahr des Untergangs auf den Empfänger übergeht. Das ist wichtig, da nur dann der Händler seine vertragliche Pflicht erfüllt hat und den Kaufpreis verlangen kann.

Bei Geschäften mit Unternehmern geht das Risiko beim Versendungskauf bereits bei Übergabe an das Logistikunternehmen auf den Empfänger über. Anders sieht es allerdings aus, wenn an Verbraucher geliefert wird. In diesen Fällen geht das Risiko erst mit der tatsächlichen Übergabe an den Empfänger, an eine vom Empfänger bevollmächtigte Person oder an einen (volljährigen) Haushaltsangehörigen auf den Empfänger über.

Im Falle einer ausdrücklichen Vollmacht kann die Ware also gefahrlos an die bevollmächtigte Person übergeben werden. Ohne diese Vollmacht jedoch ist Vorsicht geboten. Wenn nämlich der „nette" Nachbar die Ware verliert, beschädigt oder womöglich unterschlägt, muss der Händler die Ware erneut liefern bzw. verliert seinen Kaufpreisanspruch und macht sich möglicherweise sogar schadensersatzpflichtig. Aus demselben Grund ist auch die Ablage vor der Haus-/Wohnungstür des Empfängers höchst riskant.

Regress beim Versender"

Normalerweise stellt die Auslieferung an eine andere Person als den Empfänger eine Pflichtverletzung des Logistikdienstleisters dar, für die er dem Händler gegenüber haftet. Viele Logistikdienstleister versuchen dieses Haftungsrisiko jedoch durch entsprechende Regelungen in ihren AGB auszuschließen, indem sie die Möglichkeit vorsehen, Zustellungen auch bei Dritten vorzunehmen, sollte der eigentliche Empfänger nicht erreichbar sein. Allerdings haben sowohl das OLG Köln (Urteil v. 02.03.2011, 6 U 165/10) als auch das OLG Düsseldorf (Urteil v. 14.3.2007, I-18 U 163/06) bereits einige solcher Klauseln für unwirksam gehalten. In aller Regel dürfte daher ein Regressanspruch gegenüber dem Versender bestehen.

Widerrufsfrist

Ein weiteres Risiko des Händlers ist der Beginn der Widerrufsfrist. So hat das Amtsgericht Winsen mit Urteil vom 28.6.2012 (Az: 22 C 1812/11) entschieden, dass die Übergabe einer Sache an einen (nicht ausdrücklich bevollmächtigten) Dritten dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Hintergrund ist, dass diese Frist dem Verbraucher die Möglichkeit der Prüfung der Ware gewähren soll. Dies kann er aber erst dann tun, wenn die Ware auch in seinem Machtbereich ist. Die Übergabe an Familien-/Haushaltsangehörige hat das Gericht ausdrücklich ausgenommen; hier gelangt die Ware bereits mit der Übergabe an den Familien-/Haushaltsangehörigen in den Machtbereich des Empfängers. In allen anderen Fällen beginnt die Widerrufsfrist jedoch erst dann zu laufen, wenn der Empfänger die Ware tatsächlich erhält. Wann das ist, wird sich kaum sicher nachverfolgen lassen, so dass die Frist quasi endlos werden könnte.

Empfehlung

Rein rechtlich betrachtet ist zu empfehlen, die Ware, soweit der Empfänger ein Verbraucher ist, nur an den Empfänger selbst bzw. seine volljährigen Familien-/Haushaltsangehörigen zu übergeben und den Logistikdienstleister entsprechend zu instruieren. Ist dies nicht möglich, so sollte vom Empfänger eine Abstellerlaubnis für eine bestimmte dritte Person (z.B. Nachbarn) eingeholt werden.

Bei Übergabe an einen Dritten ohne ausdrückliche Vollmacht sollte eine genaue Dokumentation über die Umstände der Zustellung erfolgen, so dass der Dritte ggf. später in Regress genommen werden kann. Auch sollte in diesen Fällen die Widerrufsfrist großzügig berechnet werden, wenn der Empfänger die Ware verspätet zurückschickt.

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