§ 35 BtMG – Zurückstellung der Strafvollstreckung im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität (Therapie statt Strafe)

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§ 35 BtMG – Zurückstellung der Strafvollstreckung im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität (Therapie statt Strafe)

Die Vollstreckung von Freiheitsstrafen bis zu einer Höhe von 2 Jahren kann gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist eine günstige Prognose hinsichtlich des Legalverhaltens des Verurteilten. Das heißt, das Gericht muss davon ausgehen, dass der Täter durch die Verurteilung an sich so beeindruckt ist, dass er auch ohne die Vollstreckung der Haftstrafe zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Insbesondere im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität ist eine solche Prognose aber oftmals nicht möglich. Denn häufig ist abzusehen, dass ein drogensüchtiger Täter zur Finanzierung seines Konsums mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten begehen wird. Diese werden sich zwar in der Regel im Bereich der leichten Kriminalität wie Ladendiebstahl oder dem Erwerb von Betäubungsmitteln in kleinen Mengen bewegen. Ihre Vorhersehbarkeit führt aber dazu, dass dem Täter keine positive Prognose zu stellen ist und damit selbst relativ kurze Freiheitsstrafen nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können.

Für den Betroffenen lässt sich ein tatsächlicher Vollzug der Haftstrafe oftmals trotzdem vermeiden. Unter bestimmten Voraussetzungen hat die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde auf Antrag des Verurteilten die Möglichkeit, die Vollstreckung der Strafe gemäß § 35 BtMG für längstens zwei Jahre zurückzustellen. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Die zu verbüßende Freiheitsstrafe oder auch ein Strafrest nach teilweiser Verbüßung einer Freiheitsstrafe darf nicht höher als zwei Jahre sein. Freiheitsstrafe in diesem Sinne ist auch eine Jugendstrafe. Die Höchstgrenze von zwei Jahren gilt auch für eine Gesamtfreiheitsstrafe. Die Verurteilung muss außerdem rechtskräftig sein.

Der Verurteilte muss die Tat auf Grund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen haben. Das bedeutet, es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Drogenabhängigkeit des Täters und der Tat bestehen, was immer dann der Fall ist, wenn die Straftat ohne die Drogenabhängigkeit des Täters nicht begangen worden wäre. Ausreichend ist dabei allerdings eine Mitursächlichkeit. Damit kommen neben den Straftaten nach dem BtMG, wie Anbau, Herstellen, Einführen oder Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auch die so genannte Beschaffungskriminalität in Betracht.

Der Verurteilte muss sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befinden oder zusagen, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen. Sagt er die Aufnahme einer Therapie lediglich zu und hat sie noch nicht begonnen, so muss der Beginn der Behandlung gewährleistet sein. Dies setzt neben der Therapiewilligkeit des Abhängigen voraus, dass bereits eine Entgiftung stattgefunden hat und eine anerkannte Therapieeinrichtung die Reservierung eines Therapieplatzes bestätigt. Darüber hinaus muss soweit erforderlich eine Kostenübernahmezusage von dem gesetzlichen Rentenversicherer bzw. der Krankenkasse vorliegen. Es gibt jedoch auch Einrichtungen, die allein durch Spenden und staatliche Zuschüsse finanziert werden und daher keine Kosten erheben.
Sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen können die Voraussetzungen des § 35 BtMG erfüllen. Es steht weitgehend im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob eine Therapie als „der Rehabilitation dienend" angesehen wird oder nicht.

Letztlich muss das erstinstanzliche Gericht der Zurückstellung zustimmen. Diese Zustimmung kann das Gericht bereits mit in die Urteilsbegründung aufnehmen, sodass eine spätere Einholung durch die Staatsanwaltschaft nicht mehr notwendig ist.

Gemäß § 36 BtMG wird die Zeit, die sich der Verurteilte in einer stationären Behandlung befunden hat auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe angerechnet, jedoch nur bis zu maximal 2/3 der zu verbüßenden Strafe. Eine ambulante Behandlung wird ebenfalls regelmäßig angerechnet, aber nicht hinsichtlich des gesamten Zeitraums der Therapie, sondern lediglich in einem bestimmten Verhältnis. Je nach Umfang der ambulanten Therapie kommt beispielsweise die Anrechnung von 1 Tag Haft für 1 Woche ambulante Therapie in Betracht. Sind auf diese Art 2/3 der Freiheitsstrafe erledigt, besteht die Möglichkeit nunmehr den Strafrest zur Bewährung auszusetzen.

Andererseits kann die Zurückstellung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ähnlich wie die Aussetzung zur Bewährung auch widerrufen werden, wenn beispielsweise die Therapie abgebrochen wird oder der Verurteilte zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt wird, deren Vollstreckung nicht ebenfalls zurück gestellt wird.

Insgesamt sind die §§ 35, 36 BtMG damit Ausdruck einer Erkenntnis, die durchaus auf Bereiche außerhalb der BtM-Kriminalität übertragen werden kann: Die Bekämpfung der Ursachen von Kriminalität ist sinnvoller als die bloße Ahndung einzelner Straftaten und macht eine Bestrafung oftmals (zumindest teilweise) entbehrlich.